Heute wählt Russland seinen neuen alten Präsidenten. Deutschland sollte sich angesichts seiner Ölabhängigkeit schonmal freundliche Glückwunschkarten zurechtlegen: Herzlichen Glückwunsch, Vladimir Putin!
2009 bezog Deutschland 35,3% seines Bedarfs aus dem Riesenreich (gefolgt von Norwegen und Großbritannien mit 14,1% und 10,7%). Bei der Gasversorgung sieht es nicht besser aus: 39,2% bezieht Deutschland aus Russland. Ganz Europa hängt zu einem Drittel des Gasbedarfs an der russischen Nadel Pipeline.
Putins Wahlversprechen haben deshalb großen Einfluss auf Europa und Deutschland - denn Russland erzielt einen Großteil seiner Staatseinnahmen aus Öl und Gas. Einnehmen kann der Kreml nur, was die Importeure ausgeben. Als Gradmesser gilt der break even oil price, der besagt: Wie hoch muss der Ölpreis sein, um den Staatshaushalt eines Exportlands im Gleichgewicht zu halten? Russlands Staatsschulden betrugen letztes Jahr grade mal 11% des Bruttoinlandsprodukts, um dieses Level zu halten waren 117 US-Dollar pro Barrel nötig. 2007, vor Beginn der weltweiten Finanzkrise, waren es angeblich nur 23 US$.
In seinem Wahlkampf hat Putin diverse Wahlversprechen abgegeben, die SPIEGEL ONLINE folgendermaßen zusammenfasst:
Er hat ein Feuerwerk von Wahlversprechen abgebrannt: Er hat den Benzinpreis einfrieren lassen, Renten erhöht und Fußballfans Freiflüge zur EM 2012 versprochen. Setzt er allein seine Ausgabenpläne im Sozialbereich um, dürfte das Russland in den kommenden Jahren rund 120 Milliarden Euro kosten, haben Ökonomen der staatlichen Sberbank ausgerechnet. Hinzu kommen 500 Milliarden Euro für neue Waffensysteme für Flotte, Heer und Luftwaffe bis 2020.
Vergangenes Jahr trat der Finanzminister Alexei Kudrin zurück, nachdem er die geplanten Militärausgaben als nichtnachhaltig kritisiert hatte. Im Januar erhöhte die Regierung die Renten um 7%, im April sollen sie erneut um 2,4% steigen. Kein Zufall, dass die Präsidentschaftswahlen zwischen diesen beiden Terminen liegen. Die Wahl dürfte Putin ziemlich sicher gewinnen, trotz der Protestkultur, die sich in Russland zeigt. Die Umsetzung der Wahlversprechen können bis zu 161 Milliarden US$ kosten, hat die CitiGroup berechnet und liefert den dann gültigen break even oil price gleich mit: Er läge dann bei etwa 150 US$ pro Barrel.
Derzeit kostet die Ölsorte BRENT, deren Preis für europäische Verbraucher wichtig ist, etwa 125 US$. Um 20% müßte der Preis also weiter steigen, um Putins Wahlgeschenke zu finanzieren. Bezahlen würden dies die Ölkunden Russlands, vor allem die Westeuropäer. Nur eine Verringerung der Ölabhängigkeit und des Ölverbrauchs könnte dieser Entwicklung einen Riegel vorschieben.
Die ARD brachte kürzlich eine sehenswerte Doku "Ich, Putin", bei der sich der deutsche Journalist Hubert Seipel dem starken Mann Russlands mit der Kamera näherte. Die 44-Minuten-Doku, die die ARD in ihrer Online-Mediathek zugänglich hält, wurde in Russland vom regierungsfreundlichen Sender NTW auf einen Sendeplatz nach den heutigen Wahlen verschoben. Einblicke in die Entstehungsgeschichte der Doku liefert Hubert Seipel im SPIEGEL-ONLINE-Interview.
NYT: “Vladimir Putin’s Big Promises Need Fueling by High Oil Prices”
http://www.nytimes.com/2012/03/17/business/global/vladimir-putins-big-promises-need-fueling-by-high-oil-prices.html?_r=1
[…] Putin im Frühjahr 2012 zur Wiederwahl antrat, berichtete SPIEGEL ONLINE von den Wahlkampfversprechen, die Wladimir Putin […]