Bei TheOilDrum wurde auf einen interessanten Artikel von Lin Shi und Yuhan Zhang von der Columbia University verwiesen, die sich kritisch mit Peak Oil in Bezug auf China auseinandersetzen. Sie argumentieren, die "Peak-Oil-Theorie" beinhalte eine "statische Sichtweise" und sei deshalb nicht geeignet, die Entwicklungen zu erklären. Als Beleg führen sie an, dass die US-Produktion 2010 etwa 3,5mal höher war, als M.K. Hubbert prognostizierte. Peak-Oil-Theoretiker ignorierten angeblich Preiseffekte sowie technologische Entwicklungen. Höhere Preise, so die Autoren, würden bislang unwirtschaftliche Ressourcen förderbar machen und neue Technologien würden unkonventionelle Fördermethoden ermöglichen. Diese unkonventionellen Ressourcen würden von Peak-Oil-Theoretikern ignoriert, so Shi und Zhang.
Dieses Blog ist der Beleg, dass dieser Vorwurf zu kurz greift. Hier wird sowohl analysiert, welche Auswirkungen Preiseffekte auf die Ölproduktion haben und es werden auch unkonventionelle Methoden in Augenschein genommen. Vielmehr läuft die Argumentation der Autoren in dieselbe Richtung, denn letztlich empfehlen sie China, sich auf die Effekte einer Öl-Förderung vorzubereiten, die langsamer steigt als der Ölverbrauch. Interessant ist der Artikel deshalb vor allem, weil er Zahlen zu China liefert und weil er trotz Ablehnung eines extremen Peak-Oil-Verständnisses zu ähnlichen Empfehlungen kommt, wie es glaubwürdige Vertreter der „Peak-Oil-Theorie“ kommunizieren.
Laut den Autoren haben die großen chinesischen Ölfelder im Nordosten und an den Küsten ihre Peaks bei einem jährlichen Output von 189 Millionen Tonnen überschritten. Von 7,84 Milliarden Tonnen entdecktem Öl wurden demnach bereits 5 Milliarden Tonnen gefördert. Der Spielraum Chinas, so die Autoren, wird dadurch eingeschränkt, auch wenn die Wachstumsrate der Gesamtförderung weiterhin bei 2,1% pro Jahr liegt. Unentdeckte Reserven, vor allem im Westen Chinas, werden auf 12,2 Milliarden Tonnen geschätzt und man geht davon aus, dass bis 2020 jährlich 900 Millionen Tonnen pro Jahr entdeckt werden und diese Rate soll dann bis 2030 auf 600 bis 700 Millionen Tonnen pro Jahr sinken. Für die Ölproduktion erwarten die Autoren dennoch weitere Anstiege.
Für Peak-Oil-Skeptiker sei es leicht, mit Verweis auf Technologieentwicklung und steigende Preise das Problem beiseite zu schieben. Doch China sollte sich dieser Debatte stellen und strategisch auf politischer Ebene damit umgehen. Von „Leaderchip“ ist die Rede: Führung. Der Verbrauch von Öl stieg zwischen 1980 und 1990 um 2,8% pro Jahr, von 1990 bis 2010 stieg diese Wachstumsrate auf 7% pro Jahr. Die Elastizität zwischen Ölverbrauch und Bruttoinlandsprodukt stieg an, inzwischen übersteigt die Wachstumsrate des Ölverbrauchs jene der Wirtschaftsleistung des Landes: Chinas Öldurst wächst schneller als die Wirtschaft. Die Autoren erkennen auch, dass die Wachstumsrate der Ölförderung mit 2% ein gutes Stück unter dem Verbrauchswachstum liegt und dass die Nation von weitaus instabileren Lieferanten abhängt als die USA oder Europa: nämlich zu 60% vom Nahen Osten und Nordafrika. Landwirtschaft, Industrie und Auto-Besitz werden den Ölverbrauch weiter steigern.
Langfristig empfehlen die Autoren daher, Forschung und Entwicklung in „saubere Energie“ zu intensivieren, insbesondere für Bio-Treibstoffe als Ersatz für Öl. Die Ziele der chinesischen Regierung, den Anteil Erneuerbarer Energien am Gesamt-Energiemix auf 11,4% in 2015 und auf 15% in 2020 zu steigern, halten die Autoren für nicht ausreichend. Ohne Strukturreformen kann das Land nach Ansicht der Autoren den Ölverbrauch nicht steuern oder verringern. Kurzfristig ist eine Stabilisierung der Öl-Lieferländer wichtig, sowie eine Diversifizierung der Bezugsquellen hin zu vergleichsweise stabilen Staaten wie Nigeria, Russland und die Vereinigten Arabischen Emirate. Für kurzfristige Ölkrisen sei es auch wichtig, Wissen und Technologie für die Ölextraktion vorrätig zu halten. Wenn China die Peak Oil-Theorie „überdenken“ würde und sich für Risiken vorbereiten würde, wäre das Land in einer „signifikant sichereren Position“.
Interessant an dem Artikel sind nicht nur die konkreten chinesischen Zahlen, sondern auch, dass die Autoren trotz Kritik an der „Peak-Oil-Theorie“ zu ähnlichen Empfehlungen kommen, wie die kritisierten „Peak-Oil-Theoretiker“. Die Kritik an der „Peak-Oil-Theorie“ ist möglicherweise so lesbar, dass Shi und Zhang Anstoß an der „reinen Glockenkurve“ nehmen, die sich in der Realität selten zeigt. Doch die Zahlen und Analysen, die die Autoren aufbereiten, zeigen eindeutig, dass es Höhepunkte in der Produktion gibt (sie bestätigen dies für die reifen Felder in Chinas Nordosten), dass die Produktion nicht mit dem Verbrauch Schritt halten kann (7% Verbrauchswachstum kontra 2% Förderwachstum) und dass Anpassungsmaßnahmen notwendig sind, um die daraus resultierenden Widersprüche aufzulösen. Die Kritik an der „Lehre von der reinen Glockenkurve“ mag berechtigt sein, allerdings ist es der Verdienst dieser Idee eines Ölfördermaximums und ihrer Theoretiker, dass überhaupt ein Problem erkannt werden kann. Aufbauend auf diesem Problemerkenntnis leiten Shi und Zhang ihre Empfehlungen ab, die wohl selbst Vertreter der „reinen Glockenkurve“ unterschreiben können.
Wenn es in der Zwischenzeit so weit wäre, dass die Diskussion sich um die Form der „Glockenkurve“, um den Einfluss der Preise auf die Förderung und die Anpassungsmaßnahmen sowie um die konkrete Ausgestaltung der Anpassungsmaßnahmen selbst dreht, dann hat „Peak Oil“ das öffentliche Bewusstsein erreicht. Denn bestritten wird in diesem Artikel nicht, dass es Fördermaxima gibt und auch nicht, dass diese Limits zwar geweitet, aber dennoch akzeptiert werden müssen - und Anpassungsmaßnahmen nötig sind. Es scheint, als würde das Problemfeld des Peak Oil tatsächlich auf dem Wege zu allgemeiner Kenntnisnahme sein.
Weitere Artikel:
- Zwischen "soft peak" und "hard peak" - Gibt es Verständnisunterschiede bezüglich dessen, was mit "Peak Oil" gemeint ist? Ein Kommentar, gefunden bei der ASPO.
Veranstaltungen:
- Peak Oil in Kulmbach: Umwelt Arbeit Bildung e.V. lädt zu Workshop zu lokalen Aktivitäten zu Peak Oil: 02.05.2012 um 19:30 Uhr im Theater „Das Baumann“, Ziegelhütter Str. 40
Was bleibt denn Peking anderes übrig, als sich rund um den Erdball an Kohlenwasserstoffen zu sichern, was nur irgend geht?
Bei den chin. LNG – Importen liegt die jährl. Steigerung ungefähr bei 50%:
http://www.rohstoff-welt.de/bilder/upload/31510.png
(edit: link korrigiert, norbert)
es ist schon erstaunlich, dass PEAK OIL in der allgemeinen Diskussion sich entgegen der konservativen Definition sich sich immer mehr zu der Ausprägung entwickelt, dass die Förderung nicht im dem Maß erhöht werden kann, wie die Nachfrage wächst.
D.h., obwohl sich die Föderung scheinbar noch steigern lässt (siehe http://www.peak-oil-forum.de/phpBB2/viewtopic.php?t=8233) (eigene Anmerkung: Obwohl der geringe Zuwachs fasst schon eine Messtoleranz sein könnte) steigt die Nachfrage schneller an.
Die Sensibilität in der Bevölkerung scheint wohl langsam zu wachsen, aber die Gemengelage rund um PEAK OIL ist so diffus, dass der nicht Informierte hier nicht durchblickt.
z.B. die Ölpreise steigen deshalb, weil die Zentralbanken die Welt mit FIAT-money fluten. Andererseits: Die Staaten müssen sich immer mehr verschulden, weil das Außenhandelsdefizit wegen der steigenden Energieimporte zunehmend negativ wird, siehe Japan und scheinbar China.
PEAK OIL in der gesamten Komplexität zu erläutern ist, als ob man Pudding an die Wand nageln möchte.
Fakt ist: Konfrontiert man den nicht Informierten mit dem Sachverhalt, steht man schnell in der Ecke der “Doomers”.
Dabei sind die Bundeswehrstudie und insbesondere der Hirsch Report durchaus nachvollziehbare Szenarien.
Aber ähnlich wie bei dem Klimawandel sind die Zeiträume scheinbar für das menschliche Bewußtsein zu groß, um direkt Handlungsänderungen zu reflektieren.
Zumindest ist es eine Wohltat, die Web-Seiten mit der PEAK-OIL Community zu besuchen, ohne mit POP Ups und anderen Werbebannern gelähmt zu werden. Dank an all die Enthusiasten.