Nachdem wir uns im ersten Teil der Artikelserie mit „Tight Oil“ aus dichten Schiefern in North Dakota und im zweiten Teil mit der künftigen Ölgewinnung aus den Ölschiefern der Green River Formation beschäftigt haben, wird es nun um Prozesse gehen, mit denen man aus verschiedenen Ausgangsstoffen mit Hilfe physiko-chemischer Prozesse flüssige Treibstoffe herstellen kann. Als erstes schauen wir uns den sogenannten "Gas to Liquid"-Prozess (GtL) an.
Gas to Liquid - die Fischer-Tropsch-Synthese
Beim Gas-to-Liquid-Verfahren wird Erdgas, durch Zufuhr von Wasserdampf und Sauerstoff in ein sogenanntes Synthesegas umgewandelt. Dieses Synthesegas ist dann das Ausgangsprodukt für das berühmte Fischer-Tropsch-Verfahren, bei dem Kohlendioxid (CO2), Kohlenmonoxid (CO) und Wasserstoff über einen katalytischen Prozess in flüssige Kohlenwasserstoffe umgewandelt werden. Dieses, nach seinen Entdeckern Franz Fischer und Hans Tropsch benannte Verfahren, wurde bereits 1925 entdeckt.
Der Prozess kam erstmals im größeren Maßstab während des 2. Weltkriegs in Deutschland zum Einsatz, damals vor allem deshalb, weil das rohstoffarme Deutschland Treibstoffe aus Kohle gewinnen wollte, um überhaupt Krieg führen zu können. Das Thema Kohleverflüssigung (Coal to Liquid) wird im nächsten Artikel behandelt!
Aufgrund des hohen technischen Aufwands ist dieser Prozess nur bei sehr speziellen ökonomischen Randbedingungen durchführbar. Dies möchte ich am Beispiel des größten Gas to Liquid-Werkes der Welt, Pearl GtL in Katar, genauer betrachten.
Katar - der Erdgasriese
Katar ist in der glücklich Lage, über Teile des South-Pars-Gasfeldes, eines der größten Erdgasfelder der Welt, zu verfügen. Das Feld erstreckt sich fast über die gesamte Breite des persischen Golfs und wird von den Staaten Katar und Iran beansprucht. Der Teil des Feldes, der von Katar beansprucht wird, das sog. Nord-Feld, erstreckt sich vor der Küste Katars über eine Fläche von 6.000 km² und beinhaltet mit 25 Billionen m³ Erdgas etwa 13 % der bekannten Erdgasreserven der Welt.
Aufgrund dieser gigantischen Erdgaslagerstätte hat Katar sich schon lange auf die Förderung und Weiterverarbeitung von Erdgas spezialisiert. Neben der direkten Verflüssigung von Erdgas (LNG=liquified natural gas), bei dem das Erdgas bei einem Druck von etwa 200 bar verflüssigt wird, wurde im Jahr 2003 der Bau der größten Gas-to-Liquid-Anlage der Welt beschlossen. Für das sog. Pearl Gtl-Projekt, welches eine gemeinsame Entwicklung von Qatar Petroleum und dem Shell-Konzern ist, wurden im Jahr 2003 Kosten von rund 5 Mrd. Dollar veranschlagt. Der Shell Konzern hatte bereits 1971 das Souths-Pars-Erdgasfeld entdeckt. Nach 8 Jahren Bauzeit und Kosten von rund 24 Mrd. Dollar läuft die Anlage seit diesem Jahr in vollem Betrieb. Shell gibt an, ab einem Ölpreis von 40 Dollar pro Fass mit dieser Anlage wettbewerbsfähig zu sein - allerdings bekommt Shell das Erdgas in Katar quasi geschenkt! Das folgendes Video veranschaulicht sehr schön den technischen und finanziellen Aufwand, eine solche Anlage herzustellen. Dem geneigten Leser sei allerdings empfohlen, den Ton abzustellen...
[youtube abHSa7BWJ3g]
GtL - was kommt am Ende raus?
Die spannende Frage, die sich angesichts eines solch großen Aufwands stellt, ist: Wie viel flüssige Treibstoffe produziert eine solche Anlage täglich? Pearl GtL in Katar verarbeitet jeden Tag rund 45 Mio. m³ Erdgas und erzeugt daraus rund 140.000 Fass flüssige (diesel-ähnliche) Treibstoffe und 120.000 Fass Flüssiggas und Ethan. Würde man die gesamte Erdgasförderung der Welt in Höhe von 8,7 Mrd. m³ pro Tag mit Hilfe des GtL-Verfahrens in flüssige Treibstoffe umwandeln, würde man etwa 27 Mio. Fass pro Tag flüssige (diesel-ähnliche) Treibstoffe erhalten. Rechnet das Flüssiggas, das als sog. LPG ebenfalls in Autos verbrannt werden kann, so kommt man auf etwa 40 - 45 Mio. Fass pro Tag. Dafür wären 193 "Pearl GtL Anlagen" notwendig! Zum Vergleich: Die Welt verbraucht aktuell rund 89 Mio. Fass flüssige Treibstoffe pro Tag!
Viele werden sich jetzt sicher fragen, ob man diesen Prozess nicht wesentlich effizienter gestalten könnte? Leider sind die Verluste bei diesem Prozess im Wesentlichen thermodynamisch begründet: Bei der Bildung von Molekülen aus Synthesegas oder Wasserstoff wird Wärme frei. Je komplexer das Molekül, umso niedriger muss die Reaktionstemperatur sein, weil das komplexe Molekül sonst wieder zerstört werden würde. Also: komplexere Moleküle herstellen bedeutet Temperatur freisetzen auf niedrigerem Niveau, also wertlosere Wärme. Im Gegenzug erhält man dafür aber auch das komplexere Molekül.
Dieses Beispiel macht deutlich: Die Verfahren flüssige Treibstoffe aus Erdgas herzustellen sind lange bekannt, aber technisch sehr aufwendig und mit thermodynamisch bedingten riesigen Verlusten behaftet. Warum werden dennoch solche Verluste in Kauf genommen? Im Endeffekt erzeugt man aus einem Energieträger, mit einer extrem niedrigen Energiedichte (Erdgas), einen Energieträger mit einer extrem hohen Energiedichte (Diesel), der zudem noch in gut handhabbarer, flüssiger Form vorliegt!
Warum wird das Erdgas nicht direkt genutzt?
Wenn man Erdgas auf rund 200 bar verdichtet, hat es eine Energiedichte, die für ein Automobil nutzbar ist! Dieses sog. CNG (compressed natural gas) lässt sich in speziell umgerüsteten Erdgasfahrzeugen verwenden! Aber auch hier verliert man durch die Komprimierung des Erdgases pro Energieeinheit etwa 20% Energie. Aufgrund seiner hohen Klopffestigkeit lässt sich Erdgas extrem effizient in Motoren verbrennen. Dies funktioniert aber leider nur in Motoren, die für den reinen Erdgasbetrieb ausgelegt sind. Durch die immer noch relativ geringe Energiedichte des komprimierten Erdgases, die sich in geringen Reichweiten solcher Fahrzeuge widerspiegelt, haben die meisten Motoren aber ein Bi-Fuel Konzept, d.h. sie können auch mit Benzin betrieben werden. Dadurch kann der mögliche Effizienzgewinn durch die Nutzung von Erdgas nicht genutzt werden! Auch ein im europäischen Maßstab nur schlecht ausgebautes Erdgas-Tankstellennetz schreckt viele potentielle Käufer von Erdgasautos ab. Von 58 Mio. in Deutschland zugelassenen Kraftfahrzeugen gibt es nur rund 90.000 mit Erdgas betriebene Fahrzeuge, was einem Anteil von 0,16% entspricht.
Fazit
GtL wird daher aufgrund der hohen Investitionskosten in Zukunft wahrscheinlich nur eine untergeordnete Rolle in der Weltölversorgung spielen können, denn ein nennenswerter Beitrag von GtL zur Weltölversorgung ist nur mit einer massiven Erhöhung der Gasförderung zu erreichen sein - doch auch Erdgas ist eine endliche Ressource, deren Peak etwa um 2030 erwartet wird! Eine direkte Nutzung von Erdgas ist energetisch wesentlich sinnvoller, scheitert aber häufig an fehlender Infrastruktur und der verglichen mit Benzin oder Diesel geringeren Energiedichte.
Dennoch ist das GtL-Verfahren von allen Arten unkonventionelles Erdöl herzustellen, eine der aussichtsreicheren und sicherlich der Ölproduktion aus Ölschiefern vorzuziehen, vor allem weil das Produkt, ein synthetischer Dieselkraftstoff, deutlich sauberer verbrennt als herkömmlicher Diesel. Aufgrund des aktuell recht niedrigen Gaspreises in den USA gibt es erste konkrete Pläne für den Bau einer solchen Anlage in den USA - durch den aus Südafrika stammenden Konzern SASOL. Ob die Gaspreise, die durch ein Überangebot von Schiefergas, welches durch den massiven Einsatz von "Fracking" in den USA gewonnen wird, dauerhaft so niedrig bleiben werden, darf bezweifelt werden. Schiefergas-Branchenriese Chesapeake kommt jedenfalls im Moment durch den niedrigen Gaspreis in massive Schwierigkeiten. Außerdem werden gerade massiv Bohranlagen aus dem Gasbereich in den Ölbereich verlagert. Hier deutet sich ein klassischer "Schweinezyklus" an! Ob sich eine Multi-Milliarden Dollar Investition für SASOL unter solchen Bedingungen rechnen wird, wird sich zeigen.
Im nächsten Artikel wird es um die technisch ähnliche Kohleverflüssigung (Coal to Liquid - CtL) gehen.
Davon könnte ich jeden Tag 3 lesen. wieder sehr schön verständlich geschrieben. Interessant wird sicherlich die Frage, quer über all diese unkonventionellen Quellen..
Was bringts am ende des Tages..
gruß
Tom
Ja, ich fände es auch super, wenn am Ende dieser Reihe von Berichten eine Art Fazit erscheint, aus dem nochmal zusammengefasst hervorgeht, was die pro und contras sind und welche Methode letztlich welchen Beitrag leisten kann.
…und was das wohl für den PeakOil (also konventionell und nicht-konventionell gesamt) bedeuten wird!?
PS: wirklich wieder ein toller Bericht!
Hallo Patrick,
eine solche Zusammenfassung wird es geben. Dazu will ich aber erst alle wichtigen unkonventionellen Öle durchdekliniert haben. Und da fehlen noch einige..
Viele Grüße
Christoph Senz
Ich habe da noch ein paar Fragen!
Bist du dir sicher das Erdgas bei 200 Bar flüssig wird?
Warum machen sich dann Linde und Co die Mühe das Erdgas auf -162 Grad zu kühlen, wenn doch die Erdgaszapfsäule an jeder Tankstelle Erdgas verflüssigen kann?
Meines Wissens ist CNG ungleich LNG !
Meines Wissens wird CNG gasförmig bei 200 – 250 Bar gespeichert!
Meins Wissens stehen LNG Tanks unter vergleichsweise geringem Druck!
Meines Wissens ist die Energiedichte von LNG weit größer als von CNG!
Sollte ich mich irren, verbessert mich bitte.
Danke,
Bote
Hallo Dienstbote,
1. siehe hier: Laut wiki bei bis zu 200 bar oder minus 162 Grad. In den CNG Autos wird komprimiert!
2. Natürlich ist LNG was anderes als CNG. Im Artikel steht auch nichts Gegenteiliges!
3. LNG wird getankt als “LPG” oder Flüssiggas. Zitat wiki:
Im direkten Vergleich mit Benzin entsteht je nach Gasanlage ein volumetrischer Mehrverbrauch von 5 bis 20 % für LPG, bedingt durch die geringere Dichte und den geringeren Energiegehalt pro Liter Flüssigkeitsvolumen im Vergleich zu Benzin.
Viele Grüße
Christoph Senz
Danke übrigens noch für die schöne zusammenfassung!
zum Thema LNG Herstellung
http://www.linde-engineering.com/de/images/LNG_1_1_e_10_150dpi20-4577.pdf
Dank an den Verfahrenstechniker für diesen Link!
Hallo,
danke für den sehr guten und verständlichen Artikel.
Ich schreibe gerade eine Studienarbeit über alternative Kraftstoffe und mich würde inererssieren, welche Quelle du von Shell benutzt hast bezüglich des GtL Preises von Pearl GtL?
Gruß
Hi,
die Quelle war die englische wikipedia und ein darin verlinkter Artikel. Darin steht:
The plant’s margins would also benefit from free gas, Smitskamp said. Free feedstock was part of the original agreement with Qatar to build the plant, he added.
http://www.upstreamonline.com/live/article204485.ece
Viele Grüße
Christoph Senz
super. Vielen Dank
Es gibt imer mehrere Wege zum Ziel und so escheint es sehr viel sinnvoler die Erdgasmengen mit 60% Wirkungsgrad zu verstromen und den Strom in Elektroautos einzusetzen. Sokommt manitder selbsen menge gass mehr als doppelt so weit. Und statt teurer Anlagen benötigt man lediglich Gasleitungen nach Europa!