Im englischsprachigen Raum titeln verschiedene Publikationen aufgrund einer Citigroup-Studie: "Saudi Arabien könnte bis 2030 zum Öl-Importeur werden". Diese Überschrift sollte man nicht wörtlich nehmen, denn wenn Saudi Arabien tatsächlich zum Importeur von Öl würde, würden nicht nur die heutigen Exportmengen des Landes auf dem globalen Markt fehlen (immerhin über 8 Millionen Barrel täglich in 2011), sondern es würden dem Weltmarkt zusätzlich jene Mengen freier Handelsware entzogen, die Saudi Arabien dann importieren würde. Dieser Verlauf würde zweifellos zu extremen Preissteigerungen führen, die auch innerhalb Saudi Arabiens Öl und Ölprodukte extrem teuer machen und dadurch den Verbrauch senken würden.
Die Studienautoren gehen in ihrem Szenario von einer Fortschreibung der aktuellen Wachstumsraten des saudischen Eigenverbrauchs aus und nur wenn diese Fortschreibung gelingt, tritt auch das obige Szenario ein. Jedoch macht das Szenario deutlich, wie massiv der Eigenverbrauch der Saudis zuletzt gestiegen ist:
Von 2010 zu 2011 nahm der Eigenverbrauch um 12,7% zu, seit 2005 ist er um über 50% gestiegen und noch 1999, also 12 Jahre zuvor lag er bei der Hälfte dessen, was in 2011 verbraucht wurde. Die obige Verbrauchs-Kurve zeigt deshalb exponentielle Tendenzen und es fällt nicht schwer sie in Gedanken so fortzuschreiben, dass sie die blaue Förderkurve in einer nicht allzu fernen Zukunft schneidet. Dort, an diesem Schnittpunkt, würde Saudi Arabien dann all das Öl, was es fördert, selbst verbrauchen und könnte kein Öl mehr exportieren. Allerdings hat das Land bis dahin ganz sicher eine Revolution hinter sich: Entweder eine Revolution im Energie- und Wirtschaftssektor, der die Abhängigkeit des Staatshaushalts von den Exporterlösen auf Null zurückführt oder eine Revolution der Einwohner des Landes, da der spendable Staat sich mangels Exporteinnahmen rasant "gesundschrumpfen" müßte, um Ausgaben und Einnahmen in Einklang zu bringen. Denn die Staatseinnahmen basierten zuletzt zu 86% auf dem Ölverkauf, nur 14% stammen aus anderen Quellen, wie Steuern.
Der massive Zuwachs ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass Saudi Arabien seinen Strom durch Ölverbrennung generiert (was bei den geringen Förderkosten derzeit noch wirtschaftlich ist) und zugleich der materielle Wohlstand der oberen Gesellschaftsschichten massiv zunimmt. Im heißen Wüstenstaat sind Klimaanlagen furchtbar trendy.
Noch 1980 lag der Eigenverbrauch bei weniger als 6% der Ölförderung und es blieben 94% zum Export. 2011 wurden schon 27% der Ölförderung selbst verbraucht. Immerhin! Denn: In Europa sieht die Situation genau andersherum aus: In der "alten Welt" fördert man nur ein Drittel des Verbrauch selbst und muss den weitaus größeren Teil importieren. Deutschland verzeichnet sogar nur 2% Eigenförderung und 98% werden von Öl-Exporteuren eingekauft. Für Deutschland spielt Saudi Arabien als Exporteur keine große direkte Rolle. Indirekt ist die Rolle aber riesig: Würde Saudi Arabien auf dem globalen Ölmarkt als Versorger ausfallen (aus welchen Gründen auch immer), würden die Preise in ungekannte Höhen schießen und viele Ölverbraucher weltweit dort einkaufen, wo heute Europa seinen Stoff herbezieht: In Russland. Wieviel der russischen Exporte dann noch nach Europa kämen, steht dort, wo die Ölpreise dann wären: In den Sternen.
Das pressewirksame Beispiel Saudi Arabiens zeigt die Bedeutung des "Export Land Models" für Importländer wie Deutschland und Europa: Werden Ölförderer zunehmend zum Selbstverbraucher, sinken ihre frei exportierbaren Ölmengen oder sie werden sogar zum Netto-Ölimporteur, wie es beispielsweise Ägypten, Indonesien oder Großbritannien passierte. Der internationale Handel mit Öl wird dann enger, die Preise entsprechend höher.
Ein trauriger Trost bleibt: Beim Erdgas hat die Welt einen Ausfall saudischer Exporte nicht zu befürchten. Das Land verbraucht seit jeher alles selbst, was es an Erdgas fördert.
Dass Wachstun irgendwann mal aufhören muss, war natürlich klar. Aber jetzt wird es sehr konkret. Dies nur ein Hinweis darauf, dass wir es nicht mit einer diffusen Endzeitprognose zu tun haben.
Ein ähnliches Problem betrifft China. Bei Wachstumsraten um die 7 Prozent wird China in etwa 10 Jahren die gesamte weltweit geförderte Kohle verbrauchen. Ein klares Indiz dafür, dass es in China zu einem massiven Abkühlen der Konjunkturentwicklung kommen muss. Die Euro-Krise ist da vollkommen irrelevant.
Da kommt also einiges auf uns zu. Siehe auch http://www.domokos-kracht.eu/marcus/wachstum.html.
Hallo Marcus,
Ja, dem stimme ich Zu.
Je länger ich mich mit diesen umfassenden Themen beschäftige, desto deutlicher wird mir, wie sehr es in Politik und wirtschaft und oft auch in der Wissenschaft an systemischen Denkansätzen fehlt. Dabei ist das grosse Bild in ausreichend klaren Umrissen erkennbar. Ich hoffe immer noch, dass wir anpassungsfähig genug sind, um mit EE eine sich selbst tragende Versorgungsstruktur , wenn auch auf niedrigerem Komplexitäts und Wohlstandsnieveau aufrecht erhalten werden. Aber der Knackpunkt ist die fehlende Einsicht und der knappe Zeitrahmen rechtzeitig zu handeln.. greifen wir das Problem zu spät auf wird die Energiefalle unbarmherzig den Energiemangel verschärfen.. http://www.peak-oil.com/2012/07/die-energiefalle/
Es ist eines jener Probleme, die Langfristige Lösungsansätze benötigen und Energetische und Wirtschaftliche Opfer verlangen, die kein Politiker fördern würde.
Und wir müssten unsere Geldschöpfung umkrempeln und eine ernsthafte Postwachstumsökonomie forcieren.
Es sind immer noch zu wenige, die dieses verstehen und so einen politischen und sozialen tippingpoint anstossen könnten.
Aber was hilft es.. Wir können nur weiter mithelffen Aufklärung zu betreiben und uns selbst psychisch und in unseren Lebensstilen vorbereiten..
Saudi Arabia Not at Risk of Becoming Oil Importer, Analyst Says
http://www.bloomberg.com/news//2012-09-16/saudi-arabia-not-at-risk-of-becoming-oil-importer-analyst-says.html
[…] Aber: Saudischer Eigenverbrauch im Sommer auf Rekordhoch. (siehe auch: Saudi Arabien auf dem Weg zum Netto-Importeur?) […]
[…] bleibt meist auch, dass der Eigenverbrauch in vielen Förderländern (wie beispielsweise Saudi Arabien) ständig steigt – und zwar oft schneller als die Förderung. Daraus folgt, dass die […]