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Technology Review schiebt Öldiskussion voran

Die neue Ausgabe der Technology Review vom Heise-Verlag befasst sich mit der Renaissance von Öl und Gas basierend auf den neuen Fördertechnologien wie Fracking. Die dazugehörige Pressemitteilung der Heise Medien-Gruppe findet sich daher auch bei prestigecars.de und bei finanztreff.de. Letztere übernahmen sie von BoerseGo, wo der Hinweis auf Erneuerbare Energien, der in der Original-Meldung noch erhalten war, fehlt. Auf den Finanz-Webseiten dominiert somit die Nachricht, die Bundesanstalt für Geowissenchaften und Rohstoffe (BGR) datiert den Peak in der globalen Ölförderung auf Mitte der 2030er Jahre und die Versorgungskapazitäten werden vor allem durch Schieferöl, Ölsande und Tiefseeöl steigen. Verwiesen wird auf die Studie von Leonardo Maugeri, zu der bei TheOilDrum inzwischen mehrere kritische Analysen vorliegen.

In der Tat: Die BGR datierte in ihrer Kurzstudie von November vergangenen Jahres den Peak der globalen Ölförderung auf etwa 2036. Detailinformationen transport die Heise-Pressemeldung wie auch ihre Kopien auf den unterschiedlichen Publikationen leider nicht. So geht die BGR von einem Plateau der konventionellen Förderung aus, das Mitte der 2030er Jahre dann abbricht. Nur durch Ölsande und Flüssiggase (NGL, natural gas liquids) kann die mengenmäßige Förderung weiter gesteigert werden, allerdings sagen die Mengen wenig über die Energieausbeute, denn gerade NGL haben eine geringere Energiedichte als rohes Öl (Nachtrag zur Streichung: Das BGR nutzt Tonnen/Jahr (Gewicht/Zeit) zur Berechnung, da hat NGL sogar eine höhere Energiedichte als crude oil. Bei Angaben in Barrel/Jahr (Volumen/Zeit) ist es genau umgekehrt):

Projektion der Erdöl-Förderung durch die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, 2011

In ihrer Studie betonte die BGR (siehe auch Bildunterschrift), dass es sich bei der Projektion um geowissenschaftlich-technische Aspekte handelt, die beleuchtet wurden. Es fällt schlicht nicht ins Aufgabengebiet der BGR, geopolitische oder ökonomische Aspekte zu untersuchen. Allein die sich verlangsamende Steigerung der Ölförderung hat ökonomische Auswirkungen, wenn die Nachfrage nach Öl schneller steigen sollte. Dr. Steffen Bukold beleuchtet diesen Aspekt regelmäßig mit dem Peak-Oil-Barometer, wo sichtbar wird, dass mit Fortschreiten des Entwicklung die freien Förderkapazitäten immer knapper werden und mithin selbst kleinste Förderunterbrechungen oder Nachfragesteigerungen starke Auswirkungen auf die Ölpreise haben können.

Hier liegen auch die größten kurz- bis mittelfristigen Risiken: Nicht die globale Ölförderung ist für europäische Kommunen und Unternehmen ein Problem, sondern mögliche Verwerfungen in den derzeitigen Lieferländern. Vor allem die unruhige politische Situation im arabischen Raum gilt als Risiko. Unbeachtet bleibt meist auch, dass der Eigenverbrauch in vielen Förderländern (wie beispielsweise Saudi Arabien) ständig steigt - und zwar oft schneller als die Förderung. Daraus folgt, dass die Exportmengen nicht zwingend mit dem Fördermengen steigen, sondern trotz Ausweitung der Förderung sinken. EIA-Daten sagen, dass seit 2004 die auf den Märkten gehandelten Mengen stagnieren, wer genau hinschaut erkennt sogar einen leichten Rückgang, der jedoch auch mit der sinkenden Nachfrage im Zuge der Weltwirtschaftskrise zu tun haben könnte:

Im Ergebnis ist für Länder wie Deutschland, die zu 97 bis 98% von Importen abhängig sind nicht relevant, wieviel Öl im Boden lagert und auch zweitrangig, wieviel davon gefördert wird, relevant ist vor allem, wieviel davon zum Export zur Verfügung steht.

In der auf Pressemitteilungs-Niveau verkürzten Diskussion wird mal wieder die im Boden vorhandenen Gesamtmengen (ca. 500 Milliarden Tonnen) durch den aktuellen Jahresverbrauch (ca. 4 Milliarden Tonnen) geteilt, um mit einer angeblichen Reichweite von 125 Jahren Sicherheit zu suggieren. Dass mit der heutigen Technologie nur ein Drittel der Ressourcen förderbar ist und dass es stark darauf ankommt, mit welcher Geschwindigkeit diese Förderungen geschehen, bleibt ungesagt. Ungesagt bleibt auch, dass eine starke Steigerung der Fracking-Förderung dazu führen dürfte, dass mit dem Überschreiten des geologischen Peak Oil die Fördergeschwindigkeit sehr viel schneller sinken dürfte als es bei den herkömmlichen Fördermethoden üblich ist. Europa verliert derzeit 5,5% seiner Förderung pro Jahr. Doch die Abfallraten der Fracking-Technologie sind weitaus rasanter: Eine Förderstelle fördert am ersten Tag die größte Menge und sofort läßt die Ausbeute nach, um binnen drei Jahren auf 10 bis 20% der Erst-Tags-Förderung einzubrechen. Der Peak einer Fracking-Bohrung liegt also am Beginn ihres Förderlebens und nicht in der Mitte, wie bei den glockenförmigen Verläufen der konventionellen Fördermethoden. Eine Umstellung der weltweiten Förderung hin zu mehr Fracking würde daher mit Überschreiten des Peaks zu einem rasanten Einbruch der Fördermengen führen.

Der Tenor der Technology Review heißt denn auch: "Experten befürchten neuen Ölboom" - so ist ein Artikel im Heise-Newsticker überschrieben, der beispielsweise in der Hannover-Zeitung aufgegriffen wird. Die Befürchtung rührt daher, dass eine kurz- bis mittelfristige Steigerung der Ölförderung zu vergleichweise niedrigen Ölpreisen und damit zu einer Verschleierung künftiger Gefahren führen könnte. Statt einen konsequenten Ausbau hin zu postfossilen Strukturen anzugehen, könnten wir uns in falscher Sicherheit wiegen, deren Ende uns dann noch unerwarteter und härter trifft.

Zwei Nebenaspekte bleiben von der Diskussion bislang ausgespart. Das ist die Konfliktfrage, die das Dezernat Zukunftsanalyse, das jetzt im neuen Planungsamt der Bundeswehr angesiedelt ist, mit einer frischen Pressemitteilung nochmal aufgreift - und auf die lesenswerte Studie "Peak Oil - Sicherheitspolitische Implikationen knapper Ressourcen" verweist. Und das ist die Umweltfrage, die sich kaum besser aufzeigen läßt als mit dutzenden Bildern aus Alberta/Kanada in der Daily Mail, wo der Abbau von Ölsanden die Zukunft der weltweiten Energieversorgung sein soll...

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8 Kommentare to “Technology Review schiebt Öldiskussion voran”

  1. In diesem Zusammenhang wäre es auch gut, das Interesse der Banken an diesen Entwicklungen zu beleuchten. Wie Deborah Rogers berichtet, verdienen die nämlich immer, egal ob die neue Technik boomt oder nicht.

    http://www.resilience.org/stories/2012-10-25/financial-co-dependency-how-wall-street-has-kept-shale-gas-alive

    Die Investoren gehen im Falle einer Pleite zwar leer aus, aber die Banken haben kassiert. Der Artikel ist zwar über Gas, aber des Problem ist sicher überall dasselbe. Von interessierter Seite werden Studien fabriziert, die dann den Weg in die Presse finden und sehr schwer wegzudrücken sind. Vae victis!

  2. GermanStacker sagt:

    Ökonomen-Irrtum Nr.1: diese unkonventionellen Vorkommen füllen auf dem Weltmarkt brav die Lücke, die durch den Rückgang der alten Produzenten entsteht, und erhöhen den Ölpreis nur entsprechend ihrem Anteil. Stattdessen sind es nun exakt ihre Förderkosten, die den neuen Preisboden setzen. Und das sind momentan 100 Dollar, zu viel für unser Wirtschaftssystem (daher die Schuldenkrise).

    Ökonomen-Irrtum Nr.2: Die komplexe Konsumgesellschaft kann sich sanft und homogen an teure Energie gewöhnen. Aber wir sind ja bereits an dem Punkt, wo das System über die Kante kippt, nur noch gebremst durch die Verschuldung. Nehmen wir an, ich leite ein Fitnessstudio, und bin darauf angewiesen, dass die Kunden nach der Arbeit mit ihren Jeeps durch die Gegend fahren, nur um eine Stunde auf meinen strombetriebenen Geräten zu trainieren, und danach noch kurz in die Sauna zu gehen. Purer Energieluxus. Wenn auch nur 30% der Kunden diese Ausgabe streichen, und stattdessen zuhause Liegestützen machen und Spazierengehen (= Suffizienz), trägt sich der Laden nicht mehr. Ich und meine Mitarbeiter haben keinen Job mehr, und können direkt zurück zu Mama und Papa in die Eifel ziehen. Wir fallen selbst als Konsumenten weg, usw. usw. Nach Deutschland auswandern wie derzeit die jungen Spanier wird auch schwierig. Wo sollen die ganz normalen Jobs sein in der New/Transition Economy? In der chinesischen Solarindustrie? Wieviele von uns werden hochbezahlte Windradingenieure? Wer hat Grundbesitz für Biomasseanbau? Soll Vater Staat einspringen? Mit frisch gedrucktem Geld?

    Nein, ich sehe kein anderes Ergebnis als Massenarmut (nach heutigen Standards) und Massenarbeitslosigkeit. Griechenland ist nur der Anfang. Es wird für diese Menschen darum gehen, ihre Würde zu bewahren und innere Werte zu entwickeln, aus Mangel an materiellen Chancen. Eine Webseite heißt dann “gemeinsam-überleben.de” oder so.

  3. eliso sagt:

    Die Bilder der Umweltzerstörung durch den Ölsandabbau in Kanada sind schockierend.

  4. Frank sagt:

    Hallo Norbet,
    klasse Arbeit. Immer aktuell auf der Höhe der Zeit.
    Witzig wird`s, – da der Schieferölboom mind. 90-100$/barrel WTI braucht um den breack even zu ereichen. Der Ölpreis ist gefährlich niedrig für diese Förderung.
    Die Parabel passt. Die unkonventionellen Vorkommen sind wir ein riesiger Tank.
    Aber der Hahn daran ist winzig klein. Das spart die Studie des BGR aus.

  5. Tom Schülke sagt:

    Es wäre interessant mal eine Disskussion zwischen den Vertretern des BGR und der Aspo zu erleben, in der ein solcher Graph ausführlich diskutiert wird… Am liebsten mit dem Kabinett als zwangsverpflichtetem Zuschauergrüppchen..

  6. roderik sagt:

    Ich habe mir den Artikel und die Diskussion durchgelesen und hätte dazu folgende Fragen und Anmerkungen

    1) Es gibt da ein paar Informationen, die gelinde gesagt, nicht ganz zusammenpassen.
    Die Grafik des BGR besteht aus drei Bestandteilen: konventionelles Erdöl, NGL und Teersande. Norbert Rost merkt an, dass die Erdölförderung für konventionelles Erdöl in Europa zur Zeit einem Rückgang von 5% pro Jahr unterliegt. Die Grafik sieht aber ein Plateau der Förderung konventionellen Erdöls für weitere zwanzig Jahre. Wie geht das denn?
    Nun ist Europa nicht die Welt, aber viele wichtige Fördergebiete befinden sich ebenfalls im Förderrückgang. Könnte es sein, dass das BGR klammheimlich die aus dem Fracking gewonnen Erdölmengen zum konventionellen Erdöl hinzurechnet?
    Sollte dies der Fall sein, wäre die Grafik in erheblicher Weise irreführend, da konventionelles Erdöl eine ökonomische Eigenschaft besitzt, die nicht konventionelles Erdöl nicht besitzt: es ist billig! Das Fracking Öl ist es nicht. (Anmerkung: Frank und GermanStacker)
    Besser wäre es also, man würde den Anteil des Fracking Öl gesondert in der Grafik ausweisen.

    2) Die Förderung von Teersanden als auch das Fracking sind mit dem Einsatz erheblicher Mengen Energie- und Hilfsmittel verbunden. Man konnte z. B. auf dieser website lesen, dass beim Fracking landwirtschaftliche Produkte aus Indien eine erhebliche Rolle spielen. Wenn man das Fracking weiter ausweitet, müsste man auch diese Hilfsmittel in grösserem Umfang anbauen. Damit hätte man die gleichen Zielkonflikte, die jetzt schon für die Bioenergie besteht. Könnte es sein, dass auch diese Hilfsmittel einem Peak unterliegen?

    3) Die Bilder aus der Alberta-Region in Kanada zeigen, welche Mondlandschaften diese Art der Ölgewinnung hinterlässt.
    Man könnte diese Bilder jedoch vor dem inneren Auge für das nehmen, was das Fracking unsichtbar in der Erdkruste anrichtet. Es werden massenhaft Kohlenwasserstoffe und andere Stoffe im Gestein mobilisiert, von denen wahrscheinlich auch nur ein Bruchteil nach oben gepumpt werden kann. Wer sagt uns eigentlich, dass dieser Dreck immer da bleibt, wo er keinen Schaden anrichten kann? Was geschieht, wenn das Gebräu in einen Grundwasseraquifer gelangt, aus dem Städte mit Wasser oder die Landwirtschaft versorgt werden?

    • Norbert Rost sagt:

      @roderik: Ihre Fragen zeigen sehr schön die Komplexität des Problems und die Grenzen des Spezialistentums. Aufgabe des BGR ist es eben, die geologischen Fragestellungen zu beleuchten. Dass den BGRlern klar ist, dass es allein mit diesem Blickwinkel nicht getan ist, sieht man an den Einschränkungen, die beispielhaft als Untertitel unter deren Grafik zu finden sind.

      zu 1) Auch die IEA sagt ja ein langjähriges Plateau der konventionellen Förderung voraus, ja selbst ExxonMobil sieht das so. Der Rückgang bestehender Felder wird demnach ausgeglichen durch weitere Neufunde und den Ausbau einzelner Felder, die ihren Peak eben noch nicht überschritten haben. Ich halte es durchaus für denkbar, dass sich Abfallrate der einen und Ausbaurate der anderen Felder für einige Zeit die Waage halten können und unkonventionelle Öle für den Zuwachs der Gesamtförderung sorgen.

      Unkonventionelle Öle wie Schieferöl sind in der Prognose jedoch noch gar nicht berücksichtigt. Siehe dazu der Text auf S. 20f der Kurzstudie:

      Basierend auf dem neuen Datenstand für Erdöl, wurde die BGR-Projektion der möglichen Entwicklung der Erdölförderung bis 2050 aktualisiert (Abb. 8). Die Projektion umfasst die Produktion von Erdöl inklusive der Förderung aus zu erwartenden Feldeserweiterungen (field growth) und Kondensat (NGL – natural gas liquids). Nicht berücksichtigt für die zukünftige Förderentwicklung sind wegen unsicherer Basisdaten Schwerstöle, Öl aus Ölschiefern, Schieferöl, Öl aus Kohleverflüssigung und Kohlenwasserstoffe aus Biomasse. Die Dynamik der Projektion orientiert sich am Produktionsverlauf der vergangenen 25 Jahre, die durch einen globalen, weitgehend freien Welthandel mit einheitlichen Preisen bestimmt waren. In diesem Zeitraum wurden fortwährend immer so viele Ressourcen (einschließlich Feldeserweiterungen) in Reserven überführt, dass die Reserven in etwa das Vierzigfache der Jahresproduktion ausmachten. Dieser Trend wird in der Projektion weitergeführt. Damit stellt die Projektion eine optimistische Sichtweise dar (Bgr 2009). Aufgrund der Komplexität des Themas beschränkt sich die Projektion auf geowissenschaftlich-technische Aspekte. Der so projizierte Verlauf der weltweiten Erdölförderung sollte nicht unkritisch auf die Verfügbarkeit und insbesondere nicht auf den zukünftigen Verbrauch von Erdöl einzelner Länder oder Ländergruppen übertragen werden. Allein die Unterteilung der Vorräte in Reserven und Ressourcen stellt eine grobe Vereinfachung dar. Für eine differenzierte Prognose wäre für jedes Vorkommen eine individuelle Charakterisierung des geologischen Erkenntnisstandes, der technischen Durchführbarkeit und der sozioökonomischen Machbarkeit erforderlich. Hierfür erforderliche Daten liegen nicht oder nur rudimentär vor.
      Nach dieser Projektion ist unter den derzeitigen geologischen und technischen Rahmenbedingungen eine moderate Steigerung der weltweiten Produktion bis maximal 2036 möglich (Abb. 8). Eine Steigerung der Förderung von konventionellem Erdöl ist insgesamt nicht zu erwarten. Zuwächse in der Förderung erfolgen bei Kondensat und nicht-konventionellem Erdöl. Konventionelles Erdöl ohne Kondensat hat in der Projektion kein Ausbaupotenzial. Eine getrennte Betrachtung des Verlaufs der einzelnen Komponenten, insbesondere ihrer Fördermaxima, ist aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeiten nicht möglich und für die globale Dynamik des Marktes nicht ausschlaggebend. Eine Diskussion zum Fördermaximum des konventionellen Erdöls ist daher nicht relevant. Maximal könnte nach dieser Projektion eine Jahres-produktion von über 4,6 Mrd. t/a erreicht werden. Damit wäre der von der IEA in ihrem New Policies Scenario für 2035 angegebene Bedarf in Höhe von fast 4,8 Mrd. t (Abb. 1) nicht realisier- bar (Iea 2011a). Zudem sind viele Faktoren und Entwicklungen vorstellbar, die den Zeitpunkt einer maximalen Erdölproduktion früher eintreten lassen.

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