Zum Textbeginn springen . Zur Navigation springen .

Fracking: Wer nicht „frackt“, verliert?

Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mischt sich mit einem 3seitigen Diskussionspapier in die Debatte um Fracking ein. Die Suggestiv-Frage des Papiers "Wer nicht frackt, verliert?" beantwortet der Autor Tobias Rehbock mit Nein. Er stützt sich dabei auf eine Analyse des bisherigen Erfahrungszeitraumes mit Fracking, bei dem die Gas-Preise in den USA seit Januar 2010 um 45% gesunken seien, während sie in Deutschland im gleichen Zeitraum um fast 60% gestiegen seien. Dennoch schlagen sich diese Preisunterschiede bislang nicht in den Exportpreisen nieder, die im selben Zeitraum in Deutschland um 8% und in den USA um 12% gestiegen sind. Wettbewerbsvorteile sehen anders aus.

Begründet wird die Irrelevanz des Fracking-Beitrags dadurch, dass die Anteile der Energiekosten in den meisten Branchen so niedrig sind, dass die Preissenkungen nicht ausreichend zu Buche schlagen. Nur für Industrien mit hohem Energiekostenanteil an den unternehmerischen Gesamtkosten ist die Entwicklung positiv zu bewerten (genannt wird die Kalkherstellung und die Flachglasproduktion) und Rehbock verweist auf "anekdotische Evidenzen", sprich: Einzelmeldungen einzelner Unternehmer, die eine Umsiedlung in die USA für denkbar halten (oder auch nur so tun als ob). Ein breiter Umzug in jenen Wirtschaftsraum, der von niedrigen US-Gaspreisen profitiert, läßt sich derzeit nicht ablesen.

Vielmehr verweist Rehbock darauf, dass in der Langfristschau Fracking sogar wirtschaftliche Nachteile mit sich bringen kann. Unternehmen gewöhnen sich gern an niedrige Energiepreise und stellen ihre Produktions- und Verbrauchsverfahren darauf ein. Sobald der Fracking-Boom jedoch abbricht, wirkt der Preisanstieg umso heftiger auf die nicht vorbereiteten Unternehmen, weil sie dann einen Effizienznachteil aufholen müssen. Auch sei zu beachten, dass per Fracking gewonnene Rohstoffe nicht unendlich billig werden können, weil die (hohen) Förderkosten eine natürliche Preisuntergrenze festlegen. Rehbock verweist außerdem auf die unterschiedlichen Energiepolitiken der beiden Wirtschaftsräume: Während es eben Strategie der USA ist, mehr auf heimische fossile Rohstoffe zu setzen, versucht Deutschland einen Weg der Energiewende. Fazit des Papiers:

In diesem Sinne ist Fracking eine interessante Technologie, um heimische Schiefergas- und –ölvorkommen zu erschließen, die zuvor nicht förderbar waren. Die Hoffnung bzw. Befürchtung, daraus könnten sich deutliche und v.a. langfristig tragbare Wettbewerbsvor- bzw. –nachteile für die betroffenen Volkswirtschaften ergeben, halten wir (v.a. im Fall Deutschlands) für unberechtigt. Zudem sind wir skeptisch, ob unter Energieeffizienz- und Umweltgesichtspunkten Fracking eine lohnenswerte Alternative darstellt.

Das Papier kommt zu einer Zeit, in der auch aus anderen Bereichen wieder kritische Töne zur Energieversorgung und zur Preisentwicklung zu hören sind. So hatte die OECD kürzlich eine Studie zur weiteren Entwicklung der Ölpreise veröffentlicht, die den Aussagen der ebenfalls zur OECD gehörenden Internationalen Energieagentur (IEA) widerspricht und Ölpreise zwischen 150 und 270 US$ in 2020 für möglich hält. (siehe auch: Verwirrung um Zukunft des Ölpreises auf energiepolitik.de) Auch hat beispielsweise der FOCUS einen durchaus kritischen Artikel zur Ölversorgung und zum Fracking-Hype veröffentlicht, in welchem der Autor Michael Odenwald auf Zahlen und Argumente von Christoph Senz zurückgegriffen hat: USA steigen zur Energie-Weltmacht auf - vorübergehend

Dankenswerterweise greift auch die Pressereflektion (SPON, Handelsblatt, Industriemagazin) die differenzierte Sichtweise des KfW-Papiers auf. Was der Diskussion um die "Wundertechnologie Fracking" nur gut tun kann und hoffentlich wieder die Grundsatzfrage in den Mittelpunkt der Debatte rücken darf: Wie organisieren wir Wirtschaft und Gesellschaft bei steigenden Ölpreisen und rückgehendem Ölangebot?

16 Kommentare to “Fracking: Wer nicht „frackt“, verliert?”

  1. Florian Hoppe sagt:

    @Gaspreise in den USA:

    Da hab ich übrigens letztens ein bisschen rumgerechnet.

    Derzeit steigen ja viele Schiefergasförderer in den USA auf Schieferöl um, weil der derzeitige Marktpreis (vormals 2 Dollar je MMBtu, inzwischen ca. 4 Dollar) die Förderkosten (6-8 Dollar je MMBtu) weit unterbietet.

    Die Schieferölförderung in Brakken und Co, kostet laut dem NEF Papier 50-70 Dollar pro Barrel, der derzeitige WTI Preis liegt derzeit be über 90 Dollar.

    Ergo liegt die Gewinnspanne mit Schieferöl für die Förderer derzeit bei mind 30%.

    Ergo müßte der Schiefergasmarktpreis somit um eine ähnliche Gewinnspanne zu ermöglichen auf mindestens 8 Dollar je MMBtu ansteigen.

    Bitte gerne um etweige Korrekturen bei meiner Rechnung.

    • Norbert Rost sagt:

      @Florian: Clevere Rechnung. Gewinn bei Öl also zwischen 30% (70$ Kosten bei 90$ Erlös) und 70% (50$ Kosten bei 90 Erlös). Gas muss also mindestens 30% über den Förderkosten kosten, was bei angenommen 6$ Kosten 8$ Erlöse bedeute muss. Bei 8$ Kosten sind wir bei einem Gaspreis von 10,4$.

      Also werden die Gaspreise weiter steigen, eine Verdopplung vom heutigen Niveau ist es mindestens.

      ODER: Der Ölpreis sinkt. Weiter als bis 50-70 US$ kommt er aber nicht runter, weil dann die Ölförderer Verluste schreiben und Fracking würde auf Eis gelegt. Wäre ja nicht die erste Technologie…

      Mach doch mal ‘nen Artikel draus! :-)

  2. Florian Hoppe sagt:

    @Norbert Rost: Huch ,ein Artikel, ich?

    Wenn noch eine zweite Person den Text lektorieren udn ergänzen würde, dann gerne. Ich bin ja leider kein Energieexperte und das ganze war wie gesagt nur eine Amateurrechnung.

    Ich schaue aber mal was ich machen kann. Deine Emailadresse steht ja eh im Impressum.

  3. ab.er sagt:

    Hallo Allerseits,

    zu dem Thema auch ein Blick auf die finanzielle Seite des Shale Games (nettes Wortspiel, Shell Game = Hütchenspiel)

    http://www.desmogblog.com/2013/03/28/more-financial-worries-coming-light-domestic-drilling-industry

    So scheint kaum eine Förderfirma keine Probleme zu haben, weil die Gaspreise aufgrund des Überangebots eben ins Bodenlose gefallen sind. Aber was sollen die Firmen machen. Die Zinsen (für die Bohrungen) müssen bezahlt werden und von Vorräten, die man zwar erschlossen hat und fördern könnte, aber nicht fördert, geht das halt nicht.

    Ein anderer Aspekt:
    Wir können doch bisher froh sein, dass wir so einen hohen Steueranteil auf Öl haben. Dadurch sind wir schon immer sparsamer damit umgegangen und die relative Erhöhung von 1,20€/l auf 1,6o€/l ist halt nicht ganz so krass wie die von 2$ auf 4$ pro Gallon.

  4. Florian Hoppe sagt:

    @ab.er: Danke für den Link. Das klingt echt übel. Im Artikel war auch dieser andere sehr interessante Bericht.

    http://www.fwweekly.com/2013/03/13/shale-game/

    Vor allem, daß die begrenzen Pachtzeiten an der Überproduktion mitschuld sind, fand ich sehr aufschlussreich.

    Und daß die Ländereien mit den Felder, wenn ich das richtig verstehe, quasi schon “verramscht” werden.

    Und, daß die ganzen Firmen wegen der höheren Weltmarktpreise das Gas gerne exportieren würden, wahr sowieso klar.

    Bei den Kandadiern ist das nämlich genauso so. Wegen fehlender Pipelines müssen sie ihr Öl zu WTI Preisen verkaufen obwohl ihnen Brent lieber wäre.

  5. eliso sagt:

    Hab ich vielleicht einfach überlesen warum trotz des Shale Gas Reichtums von China, Russland,Saudi Arabien und andere Ländern die fossilen Energieträger trotzdem früher zur Neige gehn ?

  6. Florian Hoppe sagt:

    @Eliso: Erstens, weil nicht sicher ist wie hoch die Shale Gas Kapazitäten wirklich sind (die ursprünglichen Schätzungen sind ja ziemlich weit nach unten korrigiert worden) und zweitens sich auch noch die Frage stellt wieviel die Förderung kosten wird.

    Sihe die obrigens links, wie die Shale Gas Förderung einige der Hauptförderer in den USA in eine vertrackte Schuldenfalle gebracht haben.

  7. peakaustria sagt:

    Sehr interessante Sendereihe über die Hyperaktivität:
    http://oe1.orf.at/programm/333935

  8. Florian Hoppe sagt:

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/deutscher-kohlestrom-flutet-europa-a-893895.html

    Ja ja, und noch im Winter wurde über einen möglichen Blackout gejammert. Soviel dazu….

  9. Markus Knoll sagt:

    Hier noch eine Analyse unter der Betitelung “Schneeballsystem Fracking”

    http://www.rohstoff-welt.de/news/artikel.php?sid=42514&seite=1

    2 Seiten

  10. Florian Hoppe sagt:

    http://www.wallstreetjournal.de/article/SB10001424127887323741004578414493009724434.html?mod=WSJDE_EditorsPicks_GoogleNews&google_editors_picks=true

    So So, Alberta hat auf einmal Probleme, weil die Amerikaner scheinbar grad ein Überangebot an Öl haben.
    Was nicht überrascht, da ja im Vorjahr viele Gasförderer auf das lukrativere Öl umgestiegen sind.

    Die Frage, die sich stellt, ist ob nun das gleiche wie beim Gas passieren wird.

    Überproduktion, welche die Preise ruiniert und den Produktionsfirmen erst recht einen Katzenjammer bereitet.

  11. Florian Hoppe sagt:

    Nachtrag:

    Die Förderung aus kanadischen Ölsanden ist übrigens mit 70-90 Dollar/Barrel knapp teuerer als die Schieferölförderung in Bakken,welche 50-70 Dollar/Barrel kostet.

    Offsource/Tieferwasserförderung liegt mit ca. 70-80 Dollar dazwischen.

  12. Sonja Sals sagt:

    Hallo Florian,
    hätest Du hierfür eventuell eine Quelle?
    Nicht, dass ich es in Frage stelle, aber in Diskussionen, die ich zu führen habe, werde ich genau dies gefrat werden…

  13. Sonja Sals sagt:

    sorry, wer lesen kann, ist klar im Vorteil

  14. Florian Hoppe sagt:

    Aber sicher doch.

    Die Daten habe ich aus dieser Studie hier. (Als pdf downloadbar.)

    http://www.neweconomics.org/publications/the-economics-of-oil-dependence-a-glass-ceiling-to-recovery

    Die Zahlen sind auf Seite 19.

  15. Florian Hoppe sagt:

    http://blogs.marketwatch.com/thetell/2013/04/16/forget-gold-natural-gas-is-the-new-safe-haven-goldman/

    Kaum ist der Goldpreis im Keller, stürzen sich die Spekulanten aufs Gas.

    http://www.forbes.com/sites/christopherhelman/2013/04/17/first-mover-how-cheniere-energy-is-leading-americas-lng-revolution/

    Und einige Chemieriesen whren sich mit Händen und Füßen dagegen, daß die Förderfirmen ihr Gas ins Ausland exportieren.

    Apropos…

    http://www.theoildrum.com/node/9948

    Einige der unteren Drumbeat Kommentare sind wieder sehr interessant.

    Vor allem, daß SUV inzwischen auch in China das gefragteste neue Automodel sind…

Diesen Eintrag kommentieren:

* Hinweis: Dieses Formular speichert Name, E-Mail und Inhalt, damit wir den Ueberblick ueber auf dieser Webseite veroeffentlichte Kommentare behalten. Fuer detaillierte Informationen, wo, wie und warum wir deine Daten speichern, welche Loesch- und Auskunftsrechte Du hast - wirf bitte einen Blick in unsere Datenschutzerklaerung.