Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe hat im November eine Kurzstudie zu der Entwicklung der Energieträger vorgelegt. Für Erdöl werden im Boden existierende Gesamtmengen (Reserven+Ressourcen, konventionell+unkonventionell) von 515 Milliarden Tonnen angegeben, das sind 3760 Milliarden Barrel. Kanada, Venezuela und Russland sind nun die ressourcenstärksten Nationen vor den USA und China, da man ihre Ölsande u.a. berücksichtigt. Bei den zu heutigen Preisen und beim heutigen Stand der Technik förderbaren Reserven liegt Saudi Arabien vor Venezuela und Kanada, die OPEC verfügt über 70% der weltweiten Reserven und allein in Nordafrika und dem arabischen Raum (MENA-Region) liegen 53% der Reserven. Mehr als 80% der weltweiten Reserven befinden sich im Besitz staatlicher Unternehmen, also nur 20% im Besitz von nichtstaatlichen Unternehmen wie Shell, BP oder Exxon Mobil.
In 2010 nahm der Weltverbrauch um 1,4% gegenüber 2009 zu, vor allem in der GUS und dem Nahen Osten, während er in Europa und den USA eher abnahm - innerhalb der OECD um 2%. 54% des geförderten Öls wurden grenzüberschreitend gehandelt, demnach 46% zum Eigenverbrauch in den Förderländern genutzt. Deutschland importierte 93,3 Mt, was 4,6% weniger sind als 2009.
Gerade im Hinblick auf die politischen Unruhen in der MENA-Region des Nahen Ostens (Syrien, Jemen) und Nordafrikas (Ägypten, Libyen und Tunesien) ist eine mittelfristige Vorhersage der weiteren Entwicklung des Ölpreises nicht möglich. Längerfristig betrachtet scheint ein höherer Ölpreis unvermeidlich, da die Gewinnung von Erdöl aus immer komplexeren und schwerer zugängigen Lagerstätten aufwändiger und damit auch kostenintensiver wird. Andererseits ist zu beobachten, dass durch technische Fortschritte neue Potenziale wirtschaftlich gewinnbar werden. So können bei steigenden Preisen Erdölressourcen, die bisher nicht wirtschaftlich zu fördern waren, in Reserven überführt werden. (S. 20)
Die BGR erlaubt sich eine Projektion ohne Berücksichtigung von Schwerstölen, Öl aus Ölschiefern, Schieferöl, Öl aus Kohleverflüssigung (CTL) und Öl aus Biomasse (BTL). Die Projektion erfolgt folgendermaßen:
In der Rückschau auf die vergangenen 25 Jahre wird deutlich, dass ständig so viele Ressourcen in (förderbare) Reserven umgewandelt werden konnten, dass die Menge der Reserven jederzeit etwa 40 Jahresverbräuche betrug. Dieser Trend wird in der Projektion weitergeführt. Die Autoren beschränken ihre Analyse ausdrücklich auf geowissenschaftlich-technisches Gebiet und warnen davor, die Projektion 1:1 auf die Verfügbarkeit oder den Eigenverbrauch der Förderländer zu übertragen. Die Projektion wird von den Autoren als "optimistisch" eingeschätzt.
Im Ergebnis erwartet die BGR folgenden Förderverlauf mit einem Peak um 2036:
Ist das Thema Peak Oil damit vorerst gestorben? Bis 2036 sind es noch 25 Jahre, die von weiter steigenden Fördermengen geprägt sind.
Wie die Grafik zeigt wird eine Steigerung von konventionellem Erdöl nicht erwartet. Allein fügen auch die Ölsande nicht wirklich größere Mengen zur Gesamtförderung hinzu, nur durch Ölsande und Flüssiggase ist eine spürbare Erhöhung möglich. Eine Diskussion zum Peak bei den konventionellen Ölen halten die BGR-Autoren nicht für sinnvoll, weil nur die Gesamtmenge der flüssigen Kohlenwasserstoffe relevant für das Marktgeschehen ist. Nach dieser Projektion erreicht die Jahresproduktion also ein Maximum von 4,6 Mrd. t, was unter dem von der IEA angegebenen Bedarf von 4,8 Mrd. Tonnen in 2035 liegt.
Zudem sind viele Faktoren und Entwicklungen vorstellbar, die den Zeitpunkt einer maximalen Erdölproduktion früher eintreten lassen. (S. 21)
Leicht zu förderndes, billiges Erdöl erreicht definitiv das Förder-Plateau, Steigerungen sind nur noch bei Energie-, Wasser- und kostenintensiven Öl-Sorten zu erwarten. Die Menge an Öl würde demnach nicht so schnell schrumpfen, seine Kosten allerdings steigen. Genau zu den Kosten kann die Studie jedoch wenig sagen, weil die Unsicherheit in den Märkten zu groß ist. Die Entwicklung der Weltwirtschaft, das Verhalten der OPEC aber auch die politische Entwicklung in den Förderländern (Iran!) werden als Hauptknackpunkte für die Preisentwicklung genannt. Auch Raffinerie- sowie steigende Förderkosten werden einen Anteil an der Preisentwicklung haben. Das Erdöl-Kapitel schließt mit dem Fazit:
Erdöl ist der einzige nicht erneuerbare Energierohstoff, bei dem in den kommenden Jahrzehnten eine steigende Nachfrage nicht mehr gedeckt werden kann. Angesichts der langen Zeiträume, die für eine Umstellung auf dem Energiesektor erforderlich sind, ist deshalb die rechtzeitige Entwicklung alternativer Energiesysteme notwendig. (S. 22)
Fazit: Schreibt man die technische und wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen 25 Jahre fort, ist der Peak noch 25 Jahre entfernt. Die Kosten jedoch, steigen so oder so. Unsicherheiten in dieser Fortschreibung sehen jedoch die BGR-Autoren selbst und halten die Fortschreibung durchaus für "optimistisch". Selbst diese optimistische Annahme zeigt bereits eine Abflachung der Förderkurve, die sich jedoch nicht ganz so drängend darstellt, wenn der Peak erst in 2035 zu erwarten ist, statt in 2017. Kostenseitig gibt die BGR jedenfalls keine Entwarnung, die Ölpreise werden steigen. Wie schnell und wie stark - das liegt weniger an den Entwicklungen unter, als vielmehr an denen oberhalb der Erdkruste.
Angesichts der dramatisch fallenden Energierendite wäre es erforderlich, zusätzlich zu den Fördermengen auch noch den Nettoenergiegehalt anzugeben. Ein ERoEI von 1:10 bedeutet lediglich einen Abzug von 10 Prozent auf die geförderte Energie, aber 1:4 würde schon 25 Prozent ausmachen und darauf läuft es gegenwärtig hinaus. Die steigende Kurve würde also schon jetzt flach verlaufen, wenn wir die Nettomenge berechnen!
@Markus Kracht: Da bin ich unsicher: Geben die Förderländer jenes Öl als “gefördert” an, welches zugleich in den Eigenbedarf der Förderinfrastrukturen fließt? Es ist zu vermuten. Also bräuchten wir Daten, wieviel Öl für die Förderung des Öls verbraucht wird. Da sind mir bislang noch keine Zahlen begegnet. Interessant für Deutschland bzw. Europa ist ja vor allem die Menge jenes Öls, was auf dem Markt kaufbar ist. Insofern sollten die Exportmengen künftig eine viel größere Relevanz besitzen als die Fördermengen.
Einverstanden. Das Export Land Modell ist für uns relevanter als die Energierendite. Der Diskurs über Mengen wird aber weltweit (vor allem in den USA) geführt und kann uns nicht unberührt lassen. Da die sagenhaften Vorräte vor allem in Kanada, Venzuela und Russland vermutet werden, würden sie theoretisch dem Markt komplett zur Verfügung stehen. Und selbst wenn die Staaten nur Nettomengen angeben, gehen in die Schätzungen sicherlich Bruttomengen ein. Und die werden mit der Zeit an Relevanz verlieren.
Wenn Ölsände zB ein ERoEI von 3:1 haben, dann sind die Nettomengen erheblich kleiner. Das Problem des abnehmenden ERoEI haben mE Udo Bardi und David Murphy sehr schön illustriert. Es bedeutet, dass der Abstieg wesentlich schneller verläuft als der Aufstieg. Und eben auch, dass “leichte” Anstiege de facto bereits Plateaus bzw Abstiege sind.
Selbst unter der Annahme dass die Studie glücklicher weise den Peak korrekt vorhersagt, was ich bei all den Unsicherheiten anzweifle , wären Maßnahmen für den Umbau der Energiewirtschaft jetzt bereits dringend angesagt, wenn man bedenkt, dass man 20 Jahre Vorlauf benötigt.
nichts desto trotz. Ein Förderplateau für konventionelles Öl von ca 30 Jahren ? Kaum vorstellbar.
Das BRG hält es nicht für notwendig darüber nachzudenken, welche Konsequenzen der sinkende Anteil konventionellen Rohöls an der Gesamtfördermenge des Erdöls hat. Allein die Quantität sei entscheidend, die Qualität sei unerheblich.
Bleiben die ökonomischen Bedingungen also in der Zeit nach dem Peak unverändert?
Dazu zwei Überlegungen:
1) Der Mindestverkaufspreis des Gesamtöls wird bestimmt durch die Kosten des teuersten Barrel Öls, das auf dem Markt verkauft werden kann. Sinkt der Verkaufspreis unter diese Kosten, verschwindet dieses Barrel vom Markt, weil es keinen Gewinn mehr abwirft. Das Angebot schrumpft.
In der Wirtschaftskrise 2008/2009 brach die Nachfrage ein, der Preis für Rohöl sank auf 40 Dollar, die Wirtschaft konnte sich erholen und kam wieder in Gang. Bereits hier zeigt sich der Einfluss des unkonventionellen Erdöls auf die Preisbildung. Eine Reihe von Projekten die kanadische Teersande fördern wollten, wurden hier storniert oder auf Eis gelegt(1), weil erst ein Preis von 60-100 Dollar Gewinne erwarten lässt. ( Vor etwa 10 Jahren behauptete der Spiegel allerdings noch 30 Dollar seien für die kanadische Teersande die Lizenz zum Geld drucken). Der Preis sank nicht auf die 20 Dollar in den 1990er Jahren!
Man stelle sich nun vor, in der aktuellen Krise sei das gesamte billige konventionelle Erdöl tatsächlich nur teures unkonventionelles Erdöl gewesen. Hätten die Preise dann so weit sinken können? Wie wäre die wirtschaftliche Erholung verlaufen?
2) In der Vor-Peak-Ära lässt sich die Menge des Erdölverbrauchs über die Zinsen steuern. Wenn man die Zinsen senkt, wird Geld billig, die wirtschaftlichen Aktivitäten nehmen zu, die Nachfrage steigt, die Preise steigen, es lohnt sich, mehr Öl zu fördern.
Nehmen wir an, auf der arabischen Halbinsel wird ein Ölfeld mit 30GB in 500m Tiefe entdeckt. Dieses Feld liesse sich schnell erschliessen, wenn die Konjunktur anspringt. Innerhalb kurzer Zeit wären eine Menge Bohrungen niedergebracht und eine Menge an Förderanlagen angeschlossen.
Nun verlegen wir das 30GB Erdölfeld nach Brasilien in den Südatlantik, 800 km vor die Küste in 1500m Wassertiefe bei einer Bohrung von 2500m in den Meeresgrund. Da gibt es nicht so viele Bohrinseln, die dieses Feld anzapfen können. Wenn jetzt die Zinsen sinken, weil man die Wirtschaft ankurbeln will, wird man nur sehr allmählich die Förderquote erhöhen können. Dieser Flaschenhals bei der Fördermenge entsteht aber auch bei Teersanden, Ölschiefer etc. Hat sich die Situation damit nicht grundlegend verändert?
Wozu haben wir eigentlich das BRG, wenn es über solche Fragen nicht nachdenken will?
(1) http://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/maerkte,did=57652.html
@Roderik: das BGR heißt ja nicht umsonst Bundesanstalt für GEOwissenschaften und ROHstoffe. Und in der Studie wird auch explizit gesprochen von einer Betrachtung des “rein geowissenschaftlich-technischen Gebiets”. Die Autoren sind sich also bewusst, dass ihre Analyse am Ende des Upstreams aufhört und sie andere Bereiche, wie eben den ökonomischen Bereich, nicht mit analysieren.
Im Grunde müßte die Geologie-Studie des BGR jetzt zu den Wirtschaftsinstituten und ins Wirtschaftsministerium gehen, um dort die ökonomischen Effekte und Rückkopplungen einzukalkulieren. Dann würden wir vermutlich zu folgendem Ergebnis kommen:
Der geologische Peak Oil ist noch 20 Jahre voraus, aber er wird sich in Form ökonomischer Turbulenzen viel eher bemerkbar machen und diese ökonomischen Folgen werden sich auf die Förderung (und damit auf geologisches Gebiet) zurückwirken. In der Querfeldanalyse zwischen Geologie und Ökonomie ist der Peak zwischen 2015 und 2020 zu erwarten, der Preistreibereffekt bereits ab 2015.
Das Starren auf die Ölmengen, die aus dem Boden kommen, ist irreführend. Es interessiert den Großteil der heute lebenden Menschen erstmal der PREIS des Rohstoffs Öl, erst in zweiter Linie seine physische Verfügbarkeit. Aber dies fällt eben nicht in den direkten Verantwortungsbereich des BGR.
Und ansonsten gilt, was Tom Schülke sagt: ZEIT ist der neue limitierende Faktor.