Die steigenden Preise lenken Aufmerksamkeit auf das Peak-Oil-Problem. Elmar Altvater hat für den FREITAG einen Artikel unter dem Titel "Benzinpreise: Vorboten einer eisigen Zeit" geschrieben, Maxeiner und Miersch feiern in der WELT die Schieferölrevolution: Im Schiefergestein steckt Öl ohne Ende. Die taz sucht nach alternativen Konsumstilen und DerStandard sieht den Ölpreis auf dem Weg zu 200 US$. Die Zeitung beruft sich dabei auf einer Studie der österreichischen ERSTE BANK GRUPPE, die jetzt im Netz zu finden ist.
Die Autoren analysieren relativ umfassend die vergangenen und möglichen künftigen Entwicklungen im Ölmarkt und kommen unter anderem zu der Aussage:
Wie bereits in den beiden letzten Spezialreports formuliert, denken wir, dass das globale Fördermaximum bei konventionellem Öl demnächst erreicht werden könnte, bzw. schon überschritten ist. Es steht außer Frage, dass Peak Oil mehr als reine Panikmache ist. Das Produktionsprofil einzelner Felder, Regionen und Länder hat immer die gleiche Struktur, nämlich die einer Glockenkurve. Lt. Robert Hirsch haben bereits 64 Länder nachhaltig ihr Fördermaximum erreicht. Die IEA hatte im Energy Outlook 2010 gemeldet, dass die Produktion von konventionellem Öl im Jahre 2006 ihren Höhepunkt erreicht hatte. Gemäß einer Publikation von Prof. King und Murray im renommierten Nature Magazine wurde das Fördermaximum bei konventionellem Öl bereits 2005 überschritten. Dies würde die volatile Preisbewegung - ein Surrogat für die Nachfrage - bestätigen. (S. 11)
Die Autoren
- zeigen, dass in Euro gemessen der Ölpreis ein neues Allzeithoch erreicht hat (S. 12)
- halten eine 5%-"Ölbürde" (Ölausgaben pro Bruttoinlandsprodukt) als kritisch für die Konjunktur
- sehen diese 5%-Ölbürde als erreicht an
- verweisen auf Jeff Rubins Annahme, die aktuelle Finanzkrise sei stark mit dem Ölpreissprung in 2007/2008 verknüpft (S. 13)
- sehen die Ölpreissteigerungen als stark verknüpft mit der Geldmengenausweitung durch die Notenbanken (S. 15 f)
- verweisen auf den steigenden break-even-oil-price und sehen den "gesunden Preiskorridor" ebenfalls bei 100 bis 120 US$ (S. 18 f)
- sehen Subventionen auf Öl als langfristiges Dilemma
- verweisen auf den stark steigenden Eigenverbrauch Saudi Arabiens, der sich pro Kopf seit 1975 verdoppelt hat (S. 23) und etwa das Vierfache des deutschen pro-Kopf-Verbrauchs beträgt
- zeigen, dass in der OPEC allgemein der Eigenverbrauch steigt und damit tendentiell weniger Exportöl für Importländer verfügbar sein wird
Die Autoren
- zeigen, dass Saudi Arabien sich im Libyen-Krieg nicht an die OPEC-Förderquoten hielt (S. 26)
- halten die Ausbaupläne im Irak für "illusorisch" (S. 28)
- zeigen die Instabilität am Beispiel Libyens: Ein Ausfall von 2% der weltweiten Förderung führte zu einem Preisanstieg um 25% (S. 29)
- äußern Zweifel an der Reservekapazität der OPEC und insbesondere an der Steigerungsfähigkeit Saudi Arabiens (S. 31 f)
- zeigen den relativ starken Ölförderanstieg in den USA durch Fracking (wirtschaftlich tragfähig ab Ölpreis von 60 US$) (S. 35)
- bemerken, dass die OECD-Lagerhaltung einen Ölverbrauch von etwa 60 Tagen abdeckt, wobei die europäischen Läger weniger gut gefüllt sind als die der USA (S. 36 f)
- machen einen Exkurs zur österreichischen Geldtheorie-Schule
- und befassen sich ab S. 41 ausführlich mit dem - aus Sicht der Autoren kaum verhinderbaren - Konflikt mit dem Iran sowie einer möglichen Sperrung der Straße von Hormuz und seinen möglichen Auswirkungen auf den Ölmarkt
- äußern Skepsis am Wirtschaftswunder Chinas, halten dessen Nachfrage nach Öl für langfristig sehr bedeutsam
- zeigen, dass China die USA beim Energieverbrauch überholt haben (S. 55)
- übertragen die "Wolkenkratzer-Theorie" auf den Ölpreis und interpretieren die Tatsache, dass der weltgrößte Wolkenkratzer derzeit mit Öl- und Gasgeld in Aserbaidshan gebaut wird als kritisch für den Ölpreis (S. 56 ff)
- sehen eine Abkühlung des US-Gasbooms, nachdem die Gas-Preise dort stark gefallen waren (S. 60) und erwarten deshalb steigende Gaspreise (S. 61)
- hinterfragen, ob Schiefergas ein "game changer" für Europa sein kann und verweisen auf "clean fracking"-Technologien, die angeblich fast nur mit Wasser als Medium auskommen (S. 67 f)
- machen eine Chart-Analyse für den Ölpreis und ziehen sogar Google Trends als Maßstab für Bewertungen des Ölpreises zu Rate (Fazit: es ist noch Spielraum nach oben)
Fazit:
"Das Fundament für neue Allzeithochs scheint gelegt." (S. 80)
Da solcherart Bank-Analysen insbesondere von Investorenseite zu Rate gezogen werden, wenn es um Investitionsentscheidungen geht, dürfte auch diese Studie einen Teil dazu beitragen, mehr Investment- und spekulatives Kapital in den Ölmarkt zu ziehen. Selbsterfüllend führt dies zu steigenden Ölpreisen, allerdings mit höherem Spekulationsanteil im Preisniveau.
Und was macht die Politik? In Österreich führten die steigenden Spritpreise zu einer erwartbaren populistischen Reaktion: Die FPÖ fordert eine staatliche Regulierung der Spritpreise samt Anhebung der Pendlerpauschale und des Kilometergeldes und Absenken der Mineralölsteuer und der BZÖ-Chef ruft nach einem Tankboykott: Nachzulesen in der PRESSE.
Ein Detail des ERSTE-BANK-Ölreports: Bezogen auf den Goldpreis ist der Ölpreis seit den 1970ern relativ konstant, wie folgende Grafik zeigt. Der US-Dollar dagegen hat in Öl gemessen stark an Wert verloren:
Die letzte Graphik zeigt es mal wieder: Gold ist Geld!!! Alles andere ist nur Papier!
Hallo,
noch etwas interessantes. Die Citigroup hat am 15.02.2012 einen Report namens “Resurging North American Oil Production and the Death of the Peak Oil Hypothesis” herausgebracht. Da solcherart Bank-Analysen insbesondere von Investorenseite zu Rate gezogen werden, dürfte auch diese Studie einen Teil dazu beitragen, weniger Investment- und spekulatives Kapital in den Ölmarkt zu ziehen. Selbsterfüllend führt dies zu sinkenden Ölpreisen.