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Ölschwemme, Reservenfreigabe und Benzinpreisbremse: Politik und Analysten üben Preissenken

Bei der Onlineausgabe der englischsprachigen Financial Times sind die hohen Ölpreise heute Titelstory. Allerdings nur für registrierte Nutzer lesbar. SPIEGEL ONLINE zitiert mit Verweis auf die FT Marktanalysten, die einen niedrigeren Ölpreis in der Zukunft vorhersagen, dass künftig die Ölpreise ordentlich sinken werden, ja sogar eine "Ölschwemme" erwartet wird. Ihre Quelle: Die Future-Preise beim Öl, die beispielsweise für die Lieferung eines Barrels im Dezember 2018 nur 95 US$ ausweisen. Wer also heute ein Fass Erdöl zur Lieferung im Dezember 2018 über diese Future-Märkte kauft, erhält dieses zu eben jenem Preis (vorausgesetzt der Lieferant existiert dann noch). Übersehen haben die Marktanalysten möglicherweise die Selbstkritik der EZB, die an neuen Projektionswerkzeugen arbeitet, denn: Mit Blick auf eben diese Future-Preise hat die Europäische Zentralbank die Ölpreise der Zukunft regelmäßig unterschätzt und prüft deshalb derzeit die eigenen Methoden. Wichtig ist der künftige Ölpreis für die Prognose der Inflationsraten, die ihrerseits auf die Geldpolitik der EZB und die Auswahl der richtigen (!) Handlungen Auswirkungen hat. Die offizielle Teuerung bei Kraftstoffen zwischen Januar 2002 (Einführung des Euro) bis Dezember 2011 liegt in Sachsen übrigens bei 58,2%, bei Heizöl sogar bei 164,3% (Quelle: Statistisches Landesamt).

Die Financial Times hat "den ewigen Kampf ums Öl" übrigens gestern recht gut analysiert, ohne jedoch das Wort Peak Oil in den Mund zu nehmen.

An einem schnellen Preisabsturz glauben die Regierungen Frankreichs, der USA und Großbritanniens nicht, weshalb man nachhelfen will und man offenbar über die Freigabe von Ölreserven diskutiert. Sowohl für Obama als auch für Sarkozy sind die steigenden Preise angesichts bevorstehender Präsidentschaftswahlen nicht willkommen. Da heißt es: Geschenke bereitstellen! Es stellt sich die Frage, ob die aktuellen Ölpreise von ca. 125 US$ in Europa und 107 US$ in Nordamerika, die Freigabe der strategischen Reserven rechtfertigen. Zumal alle drei Nationen gar nicht die für IEA-Mitglieder angestrebte 90-Tage-Reserve öffentlich verfügbar haben: Die Gesamtreserve der USA reicht zwar 156 Tage, aber es sind nur 69 Tagesrationen in öffentlichen Lagern und 87 Rationen in Händen der Industrie. In Frankreich steht es 64:35 und Großbritannien hat als großer Ölproduzent zwar 438 Tagesrationen in Reserve, jedoch 0 (Null) in öffentlicher Hand (Stand Dezember 2011). Was tut man dann, wenn sich der Ölpreis in den kommenden Jahren in Richtung der 200 US$ aufschwingt, wenn man bereits bei 125 US$ an die Notreserven gehen will? Reserven haben die Eigenschaft, endlich zu sein. Das gilt sowohl für Erdöl im Boden als auch für die gelagerten Reserven der IEA-Länder. Wer sie aufbraucht muss sich im Klaren darüber sein, seine Möglichkeiten für die Zukunft einzuschränken. Was wir heute verbrennen, können wir morgen nicht benutzen. Spekulieren die Regierungen wirklich darauf, mit einer Freigabe von Reserven den Preis derart drücken zu können, dass er dauerhaft unten bleibt, um später billig zurückkaufen und die Reserven wieder auffüllen zu können? Denn von nichts anderem muss man ausgehen, wenn man Reserven freigibt um die Preise zu senken! Denn wenn man nicht von einer grundsätzlichen Preissenkung durch solch eine temporäre Aktion ausgeht, zieht man folgerichtig weiter steigende Preise in Betracht. Bei steigenden Preisen die Notfallreserven zu verkaufen, um sie später noch teurer zurückkaufen zu müssen (und sich zwischenzeitlich dem Risiko einer Versorgungskrise auszusetzen), ist kein besonders cleveres Konzept.

Entschleunigung ist in, die Politik steigt auf die Bremsen: In Deutschland kommt nun nach der Schuldenbremse auch eine Benzinpreisbremse in die Diskussion. Verschiedene Bundesländer bringen entsprechende Anträge in den Bundesrat. Im Kern will man den Tankstellen Vorschriften machen, wann oder wie oft die Preise geändert werden können. Mehr Preisstabilität erhofft man sich davon und natürlich gewisse Preissenkungen. Denkbar wäre, dass nur eine Preisanhebung per Tag möglich ist, aber mehrere Preissenkungen. Ob dieser eher kosmetische Effekt spürbaren Einfluss auf die Preise hat, ist fraglich. Und so erlebt mit den Spritpreisen auch ein neuer Wirtschaftszweig die Auferstehung: Kraftstoffdiebe. Mal sehen, ob die durch die neuen politischen Vorschläge ausgebremst werden.

Währenddessen befürchtet man eine Explosion der Bohrplattform Elgin (Focus: "Ein Funke genügt"). Und es gibt neue Katastrophenmeldungen aus Fukushima: Durch weitere Lecks sind statt 10 Metern nur 60 cm Kühlwasser im Reaktor und die Betreiberfirma Tepco findet keinen Chef. Führungslosigkeit im Atom-Chaos in einer stark hierarchisch orientierten Kultur - hoffentlich kann man da mit entsprechenden Managergehältern etwas tun!? Interessant wäre eine Rechnung: Was hätte der Strompreis beispielsweise in 2010 und früher in Japan gekostet, wenn man die Katastrophe von Fukushima bereits damals mit eingepreist hätte? Und eine ganz ähnliche Rechnung könnte man angesichts Elgin und Deepwater Horizon auch mit dem Ölpreis anstellen: Wie hoch müßte der Preis heute sein, um die Kosten für die Katastrophen der Zukunft einzupreisen? Schließlich wird Ölförderung nicht grade einfacher, sondern komplexer, teurer, risikoreicher. Ob die "Benzinpreisbremse" angesichts des sichtbaren Endes des billigen Öls hilft?

1 Kommentar to “Ölschwemme, Reservenfreigabe und Benzinpreisbremse: Politik und Analysten üben Preissenken”

  1. smiths74 sagt:

    Die Aussagekraft eines Future-Preise eines Ölkontrakts mit Fälligkeit 2018 ist völlig irrelevant, da diesen Märkten so gut wie keine Liquidität ist! Für Dezember 2018 reicht ein einziger Kontrakt um den Preis von 95 $ dort zu fixieren.Die großen gehandelten Volumina sind nur wenige Wochen im Vorraus. Die sind entscheidend!
    Wenn die dämlichen Hegde-Fonds Manager das Peak Oil Konzept verstanden hätten, sähe die Terminkurve für Öl etwas anders aus….
    Wieder mal ne Menge heiße Luft bei der FT…
    Viele Grüße

    smiths74

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