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Peak Oil – Herausforderung für Kommunen

Den Kommunen kommt eine ganz besondere Bedeutung bei jenem Prozess zu, der durch das Stichwort "Peak Oil" seine passende Beschreibung findet: Das Zeitalter der billigen und dichten Energie auf Basis der fossilen Brennstoffe nähert sich seinem Ende, doch die Abhängigkeit jeder Kommune von dieser Energie ist extrem hoch. Erdöl treibt das Verkehrssystem jeder Kommune, heizt die Wohnungen vieler Kommunen, wird als Kunststoffe überall verkauft, verwendet und verbaut, sorgt dafür, daß die Menschen zu ihren Arbeitsplätzen und Essen auf die Tische kommt. Somit steht nicht nur die Gesellschaft als Ganzes vor der Herausforderung Peak Oil, die kommunale Ebene hat die wohl größte Bedeutung bei diesem Problem, denn dort verdichten sich die Infrastrukturknoten, sammeln sich die Menschen und dort läßt sich auch am meisten und am schnellsten verändern.

Veränderungen sind deshalb schnell machbar, weil Kommunen vergleichsweise überschaubare Systeme sind. Sie sind nah am Menschen. Und sie erlauben es, schnell eine größere Gruppe zusammenzubringen, welche die gemeinschaftliche Infrastruktur verändern kann. Mehrheiten auf nationaler, kontinentaler oder globaler Ebene sind wesentlich schwieriger zu organisieren als auf kommunaler Ebene. Und egal wofür sich eine Mehrheit entscheidet, die Wirkung ist immer lokal, denn jeder Spatenstich für ein noch so großes Projekt geschieht immer genau dort, wo der Spaten die Erde trifft.

Die Aufgabe der kommunalen Verwaltung angesichts Peak Oil ist es, das Leben in der Kommune so zu gestalten, daß es auch mit steigenden und hoch bleibenden Ölpreisen funktioniert. Dem Verkehrsbereich kommt dabei eine entscheidende Bedeutung zu: Nicht nur, dass die meisten Menschen sich tagtäglich zu ihrem Arbeitsplatz bewegen müssen, auch alle Waren und Produkte, die in einer Kommune genutzt oder verbraucht werden, müssen transportiert werden. Die Hauptaufgabe der Kommune in der Umbruchphase vom fossilen ins postfossile Zeitalter liegt darin, Versorgungsstrukturen zu schaffen, die mit kurzen Wegen auskommen. Vorausschauend arbeitende Kommunen setzen also Impulse, die dafür sorgen, dass Wege möglichst kurz sind und energieintensive Fahrten vermieden werden. Auch wenn bislang noch fraglich und diskussionswürdig ist, wie man das im Einzelnen realisiert, sei auf folgende Möglichkeiten verwiesen:

  • Arbeitsplätze und Wohnorte sollte möglichst nah beieinander liegen
  • insbesondere Heim-Arbeitsplätze sind förderwürdig
  • Orte und Ortsteile sollten räumlich nahe Einkaufsmöglichkeiten behalten
  • Schulen, Kitas und andere oft genutzte öffentliche Angebote sollten ebenfalls so verteilt sein, daß die Wege kurz sind

Wie schon in den Ölkrisen der 1970er und 1980er Jahre wird dem Fahrrad eine neue große Bedeutung zukommen. Der benzin- und dieselgetriebene Verkehr wird zugunsten energiearmer Verkehrsmittel verdrängt. Künftig werden Fußgänger und Fahrradfahrer einen viel wichtigeren Anteil der kommunalen Verkehrsströme darstellen. Dasselbe gilt für den Öffentlichen Personennahverkehr, bei dem sich viele Reisende ein Verkehrsmittel teilen und sich damit der Energieverbrauch pro zurückgelegtem Kilometer relativiert. Vorausschauende Kommunen investieren also in Verkehrsnetze, die dieser Prognose Rechnung tragen und fördern Radwege und den Radverkehr sowie den ÖPNV und CarSharing. CarSharing- und Taxi-Angebote werden künftig eine größere Rolle spielen, weil die allgemeine Autonutzung so weit sinkt, daß sich die Anschaffung von PKWs für immer weniger Menschen lohnt - sie werden einfach zu selten benutzt. Deshalb wird die Tendenz zu Mobilitäts-Diensten zunehmen, was die Kommunen mit eigenen Angeboten oder zumindest der Bereitstellung von Stellflächen für die Dienstleister befördern können.

Während die oben genannten Punkte insbesondere in der Stadt- und Verkehrsplanung berücksichtigt werden sollten, steht die Wirtschaftsförderung vor viel größeren Problemen. Es ist nicht einfach, Arbeitsplätze und Wohnorte nah zueinander zu rücken. Förderprogramme könnten Anreize setzen, um Wohnungswechsel schmackhaft zu machen oder Fahrten zum Arbeitsplatz ganz zu vermeiden, indem vermehrt Arbeit von Zuhause aus verrichtet wird. Üblich und förderwürdig ist solch ein Vorgehen bislang nicht. Noch entscheidender als die Strecken für Pendler ist vor allem für die Städte die Frage, wie sie künftig mit Lebensmitteln und Waren versorgt werden. Bislang spielen die Transportkosten für die Lieferungen in die städtischen Supermärkte eine nahezu vernachlässigbare Rolle, künftig könnte dies anders sein. Während wir uns daran gewöhnt haben, billige Rosen zu kaufen, die per Flugzeug aus Kenia angereist sind, könnten solche Strukturen angesichts hoher Kerosinpreise schnell in sich zusammenfallen. Schnittblumen mögen ein unwichtiges Produkt sein, dessen Verlust in den Verbaucherländern leicht zu verschmerzen ist, aber wie sieht es mit Nahrungsmitteln aus, die bislang weite Wege hinter sich haben: Reis, Obst, Gemüse, Fisch, Fleisch - oft aus Asien, Afrika, Süd- und Nordamerika, Ozeanien kommend. Im Zuge von Peak Oil werden auch Wirtschaftsstrukturen sich neu ausrichten - kurze Wege werden wichtig. Daraus läßt sich eine Regionalisierung der Versorgungsstrukturen ableiten, die vorausschauende Kommunen bereits heute anstoßen. Dazu bedarf es der Zusammenarbeit der Kommunen auf regionaler Ebene einerseits sowie der aktiven Umstrukturierung der Wirtschaft andererseits. Diese Umstrukturierung kann frühzeitig durch Anreize in Gang gesetzt werden, sei es durch Bildungs- und Werbekampagnen für regionalen Konsum oder durch Steuervorteile für regional wirtschaftende Unternehmen oder Steuernachteile für energieintensiven Langstreckentransport. Werkzeuge wie Regiogeld führen zu einem vermehrten Absatz regionaler Produkte und zu einer Umlenkung der Zahlungsflüsse und damit der Wertschöpfungsketten in die Region. Das Modell der Community Supported Agriculture (CSA = Gemeinschaftsunterstütze Landwirtschaft) kann enge Symbiosen zwischen städtischen Verbrauchern und Landwirtschaftsbetrieben im Umland herstellen, bei denen die Städter Versorgungs- und die Landwirte Absatzgarantien erhalten. Letztlich führt eine Regionalisierung der Wirtschaft auch dazu, daß mehr ortsnahe Arbeitsplätze in kleineren, regional ausgerichteten Unternehmen entstehen.

Die Ernte erneuerbarer Energien ist in Europa inzwischen schon zu einem unumkehrbaren Trend geworden. Kommunen unterstützen diese Entwicklung oft, indem sie kommunale Dachflächen für Bürgersolaranlagen kostenfrei zu Verfügung stellen. Noch geht - oft auch aufgrund mangelnder finanzieller Mittel - dieser Prozess aber nicht weit genug. Vor allem Energiesparmaßnahmen fristen noch ein Nischendasein, obwohl diese durch Gebäudedämmung oder Optimierung der öffentlichen Beleuchtung das eigentliche Spar-Potential darstellen. Energie, die nicht verbraucht wird, muss auch nicht produziert werden. Doch wie viel Elektro- und Wärmeenergie auch auf den Dächern der Kommunen geerntet wird, diese Energie ist unbrauchbar im motorisierten Verkehrsbereich, der bislang zu über 99% auf Basis von Erdöl abläuft. Kommunen könnten die absehbare Ölkrise nutzen, um sich die Zielstellung der Energieautarkie und eines erdölfreien kommunalen Verkehrssystems zu setzen.

Dass Peak Oil eine enorme Herausforderung darstellt und der Umbau der Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen gut 10 bis 20 Jahre in Anspruch nimmt, hat schon der Hirsch-Report der US-Regierung verdeutlicht. Je eher mit einer aktiven Strukturierung in Hinblick auf kurze Wege und größere regionale Selbstversorgung begonnen wird, umso weniger schmerzhaft wird der unabwendbare Prozess. Kommunen sollten in ihren Planungen und Aktivitäten bereits heute das Peak-Oil-Phänomen berücksichtigen und die Verwaltung anhalten, mit lokalen Gruppen aus der Bürgerschaft, die sich anknüpfend an die Transition-Bewegung bilden, zusammenzuarbeiten. Die Arbeit kann und muss auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig geführt werden, ansonsten ist mit einer harten Wirkung der steigenden Ölpreise auf die Kommunen und ihre Bewohner zu rechnen.

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Fußnoten

August 2010, Norbert Rost, Büro für postfossile Regionalentwicklung Dresden, www.regionalentwicklung.de

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