Ähnlich wie Enten, die grade noch am Ufer eines Sees schwammen und in deren Mitte ein Schuss losgeht, flattert derzeit die (englischsprachige) Peak-Oil-Szenerie erschrocken auf. Nachdem Leonardo Maugeri seine Studie über die Möglichkeit einer neuen Ölrevolution veröffentlichte, schwor der Guardian-Kolumnist und Umweltaktivist George Monbiot vom Glauben an ein Ölfördermaximum ab: We were wrong on Peak Oil - There's enough to fry us all (Wir lagen falsch mit Peak Oil - es gibt genug, um uns alle zu rösten) heißt der Artikel, der dem Schuss im Ententeich gleich kommt. George Monbiot gilt als wichtiges Sprachrohr der britischen Umweltbewegung, sein Wort hat Gewicht und es wird in der englischsprachigen Welt wahrgenommen. Sein Kernthema ist der Klimawandel, weshalb er Kernenergie als CO2-freien Weg der Energieerzeugung für akzeptabel hält. Als Reaktion auf diesen Artikel erscheinen derzeit weltweit Antworten in Artikelform:
- Sharon Astyk nimmt sich für EnergyBulletin die Zahlen vor, die Maugeri seiner optimistischen und auf unkonventionellen Fördermethoden beruhenden Ölrevolution zugrunde legt und die Monbiot veranlasste, Peak Oil beiseite zu legen
- Jeremy Leggett, Gründer der UK industry task force on peak oil and energy security antwortet im Guardian mit Verweis auf die ausgeblendeten Warnungen vor der Finanzkrise und zieht Analogien zu den ausgeblendeten Warnungen vor der kommenden Ölkrise und kritisiert Monbiots mangelndes Verständnis, was Peak Oil eigentlich bedeutet: Nämlich dass es nicht um im Boden lagernde Ölmengen geht, sondern um die nachlassende Geschwindigkeit, mit der wir diese fördern
- Rob Hopkins, der Hebammrich der Transition-Town-Kultur, fühlt sich (durch eine Vielzahl von Anfragen) genötigt, nochmal zu erklären, was Peak Oil ist und dass er nie - im Gegensatz zu George Monbiot - annahm, dass Peak Oil dem Klimawandel im Wege steht. Hopkins hat jederzeit vertreten, dass Peak Oil und Klimawandel zwei Entwicklungen sind, deren getrennte Sichtweise zu fatalen Schlüssen führen kann - und dass deshalb beide Probleme bei der Maßnahmenwahl berücksichtigt werden müssen. So argumentiert er auch in seiner Monbiot-Replik.
Das könnte dann wohl auch eines der großen Mißverständnisse sein, die Monbiot mit sich herumtrug, bis Maugeris ölrevolutionäre Studie ihm die Augen öffnete: Peak Oil bedeutet nicht, dass uns das Öl ausgeht. Es ist tatsächlich genug Öl und Gas und Kohle im Boden, um unser Klima grundlegend zu verwandeln. Peak Oil bedeutet, dass die täglich verfügbaren Ölmengen begrenzt sind, ein Tages-Förder-Maximum erreichen werden und in spürbar kurzer Zeit zu sinken beginnen werden. In diesem Sinne ist Peak Oil vermutlich weitaus eher spürbar als der Klimawandel:
- erst in Form von steigenden Öl- und Energiepreisen
- dann in Form von unruhiger wirtschaftlicher Lage
- dann in Form einer physischen Verknappung des Rohstoffs
- Klimawandelwirkungen dürften vergleichsweise schleichend und subtiler und in ihrer Heftigkeit noch langfristiger wirken.
Maugeris Studie, sozusagen der Schuss, der Monbiot das Flattern beibrachte, wurde dieser Tage auch auf TheOilDrum.com analysiert, nur halb letztlich, da der Autor angesichts der überoptimistischen Annahmen Maugeris ausrief:
Enough, already! There are too many unrealistic assumptions to make this worth spending more time on.
Genug, es reicht! Das sind zu viele unrealistische Annahmen, um dem noch mehr Zeit zu widmen.
Rob Hopkins schreibt selbstkritisch, dass auch er die Anpassungsfähigkeit des industriellen Systems zeitweise nicht wahrnahm und damit die unkonventionellen Fördermethoden nicht auf dem Schirm hatte. Er betont, dass diese Suche nach neuen technischen Methoden, um Öl zu extrahieren aber auch typisch sind für die Problemlösung unseres Wirtschaftssystems. Eine Anpassung "nach unten" (im Sinne eines bewusst initiierten Verbrauchsrückgangs) wird gar nicht in Betracht gezogen, rausholen, was rauszuholen ist, ist die einzig erkennbare Agenda. Die zweite Halbzeit des Ölspiels (siehe Grafik) wird deshalb nicht nur geprägt sein von schrumpfenden Ölmengen und steigenden Preisen, sondern auch von weitaus schmutzigeren Quellen, die wir anzapfen. Dass dabei die Hoffnung, die auf diese Techniken gesetzt wird, übertrieben sein könnten, zeigt ein aktueller Blick in die Presse:
Auch in Thüringen soll möglicherweise "gefrackt" werden, weshalb sich nun auch dort Bürgerinitiativen formieren, denen sauberes Trinkwasser wichtiger ist, als ein voller Tank. Sogar auf Kreistagsebene befasst man sich deshalb neuerdings mit geologischen Fragestellungen, es bleibt zu hoffen, dass die Kreistagspolitiker auch den Grund erfahren, warum man überhaupt auf solche Fördermethoden zurückgreifen will. Innerhalb der FDP gibt es auf Bundesebene Stimmen, die sich der grünen Position anschließen und ein Fracking-Moratorium fordern, also ein zeitweises Verbot der Methode, um ihre Auswirkungen zu erforschen. Polens Schiefergas-Hoffnungen zerplatzen derweil: ExxonMobil zieht sich aus dem Geschäft zurück, doch man weiß noch nicht, ob es - wie offiziell verkündet - an den kommerziell nicht interessanten Mengen liegt oder an politischem Druck aus Russland. Die einen verbinden Hoffnungen mit den unkonventionellen Techniken, für andere wie Werner Zittel sind sie eher Ausdruck einer Veränderung im Fördergeschäft: Wozu würde man diese teuren und aufwändigen Methoden anwenden, wenn man ausreichend Öl und Gas mit den herkömmlichen Verfahren fördern kann? Ist die Ausweitung von Fracking nicht eher ein Beleg dafür, dass die herkömmlichen Wege nicht mehr genug hergeben, dass also die bisherigen Quellen zunehmend erschöpfen und ein Fördermaximum erreichen? Peak Oil eben?
(Wer wissen will, was "Fracking" genau ist und wie es funktioniert, kann beim Oklahoma Energy Ressources Board Antworten finden. Dieser Animationsfilm zeigt sehr anschaulich, wie der Fördervorgang verläuft, wie "horizontales Bohren" abläuft und wie die Gesteinsschichten unterirdisch aufgebrochen werden.)
Ein Schuss im Ententeich sorgt anfänglich immer für chaotisches Geflatter, aufgeregtes Gequake und den Versuch des Geflügels, schnell wegzukommen. Doch wenn sich die aufgescheuchte Schar die Sache aus der Entfernung ansieht, so stellt sie fest: Okay, Opfer, die auf der Strecke geblieben sind, gibt es immer welche, wenn der Jäger auftaucht. Der Schwarm wird neu formiert, die Reise fortgesetzt und anderswo gelandet. Aus diesem Blickwinkel dürfte Maugeris Studie, Monbiots Erwachen und die Reaktionen der Peak-Oil-Beobachter eher dafür sorgen, dass der Schuss nicht nur im Ententeich gehört wird...
TheIntelligence greift (auf deutsch und gut abwägend) ebenfalls Monbiots Artikel auf:
http://www.theintelligence.de/index.php/wirtschaft/international/4630-peak-oil-erdoelreserven-deutlich-hoeher-als-angenommen.html
Ein sehr guter Artikel, Danke!
Es versetzt mich immer wieder in Erstaunen, wie sehr man sich den Mund fusselig reden muss, damit einige wenigstens ansatzweise verstehen, was das Ende vom Öl bedeutet.
Dabei braucht man sich nur einmal umschauen und nach Dingen suchen, die noch aus der Zeit VOR dem Öl existieren und wie dicht die Bevölkerung damals war.
Aber ich glaube, der eiskalte Schauder, der einem dann durch die Glieder schleicht, den will sich so leicht niemand antun.
[…] vor allem durch Schieferöl, Ölsande und Tiefseeöl steigen. Verwiesen wird auf die Studie von Leonardo Maugeri, zu der bei TheOilDrum inzwischen mehrere kritische Analysen […]