Zum Textbeginn springen . Zur Navigation springen .

Wachstum ohne Ende? Über den Wettlauf zwischen Ressourcenerschöpfung und neuen Technologien.

So heißt der Vortrag von Christoph Senz, der am Montag, 8. April um 17 Uhr an der FH Aachen zu hören sein wird:

  • im Rahmen des Studium Generale, Hohenstaufenallee 6, Raum 01101, Einladung (PDF)

Inhaltlich wird es um die Geschichte der Energienutzung durch den Menschen gehen. Was waren die wesentlichen Durchbrüche? Welche Techniken haben es erlaubt, die heutigen, riesigen (fossilen) Energieüberschüsse bereitzustellen? Warum wird es wahrscheinlich immer schwieriger, diese „Überschüsse“ aufrechtzuerhalten? Welche Rolle spielt das „Best-First-Prinzip“ und das „Law of diminishing returns“? Was könnten die sich bereits abzeichnenden Tendenzen für die Zukunft bedeuten? Wer wird am Ende des Tages Recht behalten: Die Ökonomen, die der Meinung sind, dass Marktmechanismen alleine ausreichen werden, fast jede beliebige Menge einer Ressource in der Zukunft bereitzustellen. Oder doch die Naturwissenschaftler, denen die physikalischen Grenzen der Ressourcenextraktion gut bekannt sind? Was wäre, wenn am Ende beide Recht hätten?

Dass die Industrialisierung, wie wir sie kennen und in deren Fluidum wir alle leben, absolut abhängig von jederzeitiger Energiezufuhr ist, ist den wenigsten bewusst. Dass sich das geschaffene gesellschaftliche Fluidum ändern dürfte, wenn die Energiezuflüsse schwächer werden, steht zu vermuten, doch es wird selten ausgesprochen. Vielmehr klammern sich die meisten, die darüber nachdenken, an die Hoffnung neuer Technologien, die ein "weiter so" versprechen.

In Österreich wird die Diskussion grade vom OMV-Chef Gerhard Roiss vorangetrieben, der im Interview im Kurier argumentiert, man könne die Fracking-Technologie weiterentwickeln, um sie umweltverträglicher zu machen und könne dann auch in Europa Schiefergas fördern. Die niedrigen Gaspreise in den USA seien ein Signal für die energieintensive Industrie, sich dort anzusiedeln und Europa verliere seine Zugkraft. Mangelhaft ist sein Argument, die US-Gasförderung führe zu geringerem CO2-Ausstoß: Erstens ist für den Treibhauseffekt in der Atmosphäre eben nicht die Menge an CO2 pro Zeiteinheit relevant, sondern die über den Emissionszeitraum freigesetzte Gesamtmenge und daher müßte man versuchen, Kohlenwasserstoffe im Boden zu belassen. Zweitens wird bei der (Schiefer-)Gas-Förderung Methan in nennenswerten Mengen freigesetzt, welches viel wirksamer ist, was den Treibhauseffekt betrifft.

Das zweite Interview mit ihm in derselben Zeitung, welches eine Woche später erschien, betont erneut die Frage der Versorgungssicherheit, ohne jedoch den Rückgang der Öl- und Gasförderung in Europa explizit anzusprechen. Dies traut sich die Öl- und Gas-Industrie offenbar (noch) nicht. Das Interview zeigt, dass es 7 bis 8 Jahre dauert, bis ein gefundenes Gas-Reservoir auch Gas liefert. Und wir lernen, dass Gerhard Roiss beim Energieforum in Lech den EU-Energiekommissar Günther Oettinger von der Nutzung von Gas überzeugen wollte.

Das ist offenbar gelungen, denn zwei Tage später wird Oettinger in der WELT mit dem Ruf nach einer "sachlichen Diskussion" zum Thema Fracking zitiert. Und in der Tat, wäre es an der Zeit, zur Sache zu kommen: Europas Niedergang der Öl- und Gasindustrie benötigt einen breiten gesellschaftlichen Diskurs, wie mit dieser Entwicklung umzugehen sei. Schiefergas allein wird es so oder so nicht sein, was das heutige Verbrauchsniveau aufrecht erhält, insofern sind breitere Anpassungsmaßnahmen notwendig. Und in einer Übergangszeit vermutlich auch: Die Nutzung von Gas-Ressourcen.

Ob man diese Nutzung allerdings durch eine Wettbewerbssituation mit den USA begründen muss, ist mehr als fraglich, insbesondere durch die zunehmende Skepsis, ob sich die unkonventionelle Gas-Förderung in den USA denn wirklich rechnet. Die Befürchtung, es handele sich mehr um ein Schneeballsystem als um handfeste Investitionen, taucht zunehmend auf. Nicht nur Fracking, sondern auch andere unkonventionelle Fördermethoden haben ein schlechtes Verhältnis zwischen Input und Output, sowohl auf der finanziellen, wie auch auf der energetischen Seite. Die NewYorkTimes nennt in einem Kommentar zum Bau der KeystoneXL-Pipeline, die die USA mit kanadischem Teersand-Öl versorgen könnte, das Verhältnis von 1 zu 4 bis 6 Joule: Pro investierter Energieeinheit wird die umweltschädliche Tar-Sand-Förderung nur 4 bis 6 Energieeinheiten ab, die konventionelle Ölförderung in den USA erreicht laut NYT üblicherweise ein Verhältnis von 1:15. Angesichts der Umweltverschmutzung würde Barack Obama den Kanadiern einen Gefallen tun, wenn er den Bau der Pipeline beenden würde - so der NYT-Kommentar.

Von der Presse (und bis heute auch von peak-oil.com) unbeachtet erblickte jüngst ein Arbeitspapier der OECD das Licht des Internets, in dem die Autoren einen Ölpreis zwischen 150 und 270 US$ pro Barrel bis 2020 für möglich halten, abhängig davon, ob sich die Konjunktur wieder auf das Vorkrisenniveau entwickelt und wie stark zwischenzeitliche Risiken betreffs der Ölversorgung durchschlagen. Angesichts solcher Zahlen bekommt der Titel von Christophs Vortrag "Wachstum ohne Ende?" einen ganz eigenen Unterton...

Weiteres:

20 Kommentare to “Wachstum ohne Ende? Über den Wettlauf zwischen Ressourcenerschöpfung und neuen Technologien.”

  1. Florian Hoppe sagt:

    Hinzu noch eine andere Nachricht:

    http://www.nasdaq.com/article/chesapeake-updates-interim-ceo-asset-sales-and-rising-gas-prices-cm233001#.UV68OMocOrg

    Der strauchelnde Gaskonzern Chesapeake will unter neuer Führung (der alte CEO wurde vor kurzem unter Tränen geschasst..) seine Schulden loswerden.

    Einerseits durch (wenn ich richtig verstanden habe) das Abstossen kleinerer unprofitabler Felder und durch höhere Gaspreise.

    @FAZ-Bericht: Ich lese ja gerade Rubin und muß zu dem Nordseeboom schmunzeln. Die Amis haben ja ähnliches über ihre Mexiko Tiefseebohrungen gesagt, bis Katrina und Co. ihre Pläne zunichte gemacht haben…

  2. Florian Hoppe sagt:

    Noch eine andere Sache finde ich aber interessant, vor allem weil diese ursprünglich nichts mit der Peak Oil Debatte zu tun hatte.

    Einer meiner Lieblingsauoten ist ja der streitbare Soziologe und Demograph Emmanuel Todd.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Emmanuel_Todd

    Todd ist seit jahren ein eklatanter Gegner des Freihandels und der Globalisierung. In seinem Buch von 2008 Apres la Democratie”….

    http://www.heise.de/tp/artikel/30/30596/1.html

    http://www.jjahnke.net/gedanken46.html#todd

    … meinte er sogar daß durch die derzeitige Entwicklung der Globalisierung das allgemeine Wahlrecht gefährdet sei und durch die Eliten in den nächsten 10-30 Jahren abgeschafft werden könnte.

    Eine ziemlich gewagte These damals, doch inzwischen haben wir durch die Krise in Europa ein Punkt erreicht ,wo das Wahlrecht tatsächlich mehrmals unterlaufen wurde und eine Bundeskanzlerin von “marktkonformer Demokratie” redet.

    Laut Todd könnte einzig allein ein neuer “intelligenter Protektionismus” dies verhindern.

    Was das mit Peak Oil zu tun hat? Nun laut Jeff Rubin haben dreistellige Ölpreise defacto die die gleiche Auswirkung wie Importzölle.

    100 Dollar/Barrel entsprechen quasi einem Zoll von 8%, der Ölhöchstpreis von 2008 von 150 Dollar/Barrel einem Zoll von 17%, was den durchschnittlichen US-Importzöllen der 70er Jahre entsprechen würde.

    Und damit hätte Todd quasi seinen gewünschten Protektionismus, wenn wie prognostiziert die Ölpreise in den kommenden Jahren ansteigen….

  3. Zu diesem Link aus dem Beitrag:
    http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/rohstoffe-der-neue-oelrausch-in-der-nordsee-12130355.html

    Die letzte Blase (nach der Immobilienblase) dürfte dann wohl die Ölblase sein…

    Schon irgendwie witzig. So langsam möchte ich glauben, dass Optimismus das untrüglichste Zeichen für Dummheit ist.
    Mein Gott, was ein Irrenhaus. Diese Affenbande ist echt keinen Pfifferling wert.

  4. Ert sagt:

    Ich hoffe, das der Vortrag auch auf Video aufgenommen wird und dann ein Link hier steht.

    Ich war heute mal wieder enttäuscht – habe zwei Vorträgen zu Ressourcenreichweiten etc. gelauscht.

    Eine Kernaussage war, das Ressourcen zwar eine ggf. kritische Verfügbarkeit haben (Politisch, Förderkapazitäten), aber die statischen Reichweiten über die Jahre fast immer konstant geblieben sind – neue Nachfrage hat neue Suchen ausgelöst. So war das Fazit, das es noch lange weitergehen kann.

    Was aber nicht betrachtet wurde – und so wurde die Zuhörerschaft meiner Ansicht nach in die Irre getrieben – ist die Energie in Joule die pro Gramm Ressource über die Jahre aufgewendet werden muss.

    Nach den Best-First Prinzip (u.a. auch in Martensons Crash-Course) steigt ja der Aufwand für die Förderung der späteren Ressourcen. Gleichzeitig steigt auch der Preis für Energie. So sind zwar etliche Ressourcen da, aber es wird absolut und relativ gesehen immer teurer diese zu fördern, was dann in der Kette den Konsum/Verbrauch und die Wachstumswirtschaft abwürgt.

    Ich habe das Gefühlt, das hier mal wieder sehr einseitig geschaut wurde.

    Ein anderer Vortrag hatte sich mit Reichweiten von zwei Elementen und Recycling beschäftigt. Zwar wurde gesagt, das sich Recycling aufgrund der hohen Energiekosten für diese noch nicht rechnet – aber auch hier wurden in der Gesamtbetrachtung – der reinen Verfügbarkeit der Elemente über die nächsten 40 Jahre bei geschätztem Verbrauch – wiederum die Energiekosten und die Energieverfügbarkeit ausgeklammert, die die wirtschaftliche Verwendung der Elemente für den geplanten Einsatzzweck schon vorher limitieren.

    Bekommen das die meisten Wirtschafts- und Verbrauchsanalysen wirklich nicht auf den Schirm die Energiekosten mit einzubeziehen, also quasi das ‘EROEI’ für Rohstoffe? Oder bin ich nur blöde und kapiere es nicht?

  5. Florian Hoppe sagt:

    “Bekommen das die meisten Wirtschafts- und Verbrauchsanalysen wirklich nicht auf den Schirm die Energiekosten mit einzubeziehen, also quasi das ‘EROEI’ für Rohstoffe? Oder bin ich nur blöde und kapiere es nicht?”

    Nope, tun sie nicht.

    Die Lehrbuchökonomie ist hier einfach blind. Google einfach Julian Simon und du weißt wie die Leute aus der Wirtschft denken.

    • Ert sagt:

      @Florian

      Also ich unterstelle den Leuten keine Blindheit – fernab davon. Es ist deren Aufgabe kritische & strategische Ressourcenanalysen zu machen….

      Aber das übergeordnete Thema Energie wird anscheinend dabei ausgeklammert – das die ganze Thematik dann erst mal so richtig mehrdimensional und Interdependent macht.

      Aber – und das höre ich im meinem Umfeld nun immer mehr – das 4te Wind und Solarreich wird es richten: PV und Wind sind die Lösung für fast unseren gesamten Strombedarf + Elektrifizierung der PKW-Flotte. Selbst die Szenarien von WBCSD, Forum für Zukunftsenergien e.V., IEA, Siemens, etc. pp. und Konsorten sehen das bis 2040 nicht so…..

  6. Florian Hoppe sagt:

    Jo, aber er ist ist nunmal der Liebling vieler Ökonomen. (schon allein wegen seiner “gewonnenen” Wette gegen den “Malthusianer” Paul Ehrlich.)

    Aber es stimmt, das Energiethema wollen viele nicht hören. Nur wenige, wie z.b. Jeff Rubin sagen hier offen die Wahrheit.

    Jeremy Rifkin erwähnt es ihn seinem “TIR” Konzept nicht direkt, aber auch hier wird von deutlich geringeren Transportwegen ausgegangen. (Und der Transportsektor wird ja von Peak Oil am allerstärksten betroffen sein.)

    • Ert sagt:

      Ich kenne nur “Age of Access” von Rifkin und fand es gut – interessanter Denker.

      Aber TIR? Ich sehe nicht wo dafür das Anfangskapital herkommen soll – und wichtiger die ganze Energie und Rohstoff um sowas global umzusetzen.

      Wenn, dann müsste man sowas als KfW Programm mit 0-Zisen aufsetzten… indirekt auch als Ausweg um den ganzen Landen noch länger am laufen zu halten. Dann aber nach Todd auch so, das das zeug dafür auch aus Europa kommt.

  7. Florian Hoppe sagt:

    Aber wie ich schon oben schrieb hat das Ende der Globalisierung durchaus auch seine guten Seiten.

    Ich empfehle hier wirklich jeden Mal Todd zu lesen, seine soziologischen Anaylsen sind wirklich hoch interessant.

    Und sein (leider nur noch in Bücherein oder teuer über Amazon zu bekommenes) Buch “Die neoliberale Illusion” ist imme rnoch eine der besten Analysen der neoliberalen Ideologie und dessen Wurzeln.

  8. Florian Hoppe sagt:

    @TIR: Es wird ja auch schon teilweise umgesetzt. Das schwierigste wird aber imo. das Energienetz sein. Aber wie ich scho nsagte, wird selbst TIR nicht verhindern ,daß unsere Welt wieder kleiner werden wird. (es wird allerhöchstens negativen Folgen etwas abmildern.)

    @Todd: Tja, aber er schreibt das schon seit über 15 Jahren und wird ignoriert. (Wobei er dann alle Jahre wieder ins Rampenlicht gerät, wenn er mit einer Entwicklung recht behält, siehe der arabische Frühling…)

    Der Neoliberalimus war schon immer ein Elitenprojekt, weshalb sich Portale alle NDS, Jahnke, Querschüsse etc. die Finger wund schreiben konnten, aber nichts wirklich passiert ist.

    Somit bleibt nur noch ein Protektionismus, der quasi “von selbst kommt”.

    Und das sind wahrscheinlich die Ölpreise der kommenden 5 Jahre. Und dessen Anstieg lässt sich laut Rubin (Ja, ich lese grade sein Buch und es ist klasse.) kaum verhindern, da es ja die jetzigen Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien und Co. sind, die hier immer mehr am schlucken sind. (Vor allem fand ich das Kapitel über die lokalen Preissubventionierungen interessant, für die dann der Rest der welt quasi mitzahlen muß.)

    • Ert sagt:

      Hi Florian,

      meinst Du Rubins “End of Growth”? Ist es des Lesens wert – oder eher zeitverbrase, weil dir/mir die Mechanik und Hintergründe sowieso klar sind?

      Ja und die Autoindustrie plant mit 50% Elektrifizierung der ausgelieferten Kfz in 2040/50 und dann bei 120 Millionen Kfz/Jahr Auslieferung! Dabei wird ersichtlich, das die 60 Millionen Verbrenner von heute Konstant bleiben und nur das zusätzliche “Wachstumspotential” mit elektrifiziertem Antriebsstrang ausgestattet sein soll.

      Wenn Du sowas liest und präsentiert bekommst – dann verschlägt es Dir die Sprache. Komplette kognitive Dissonanz. Da merken die Leute die es präsentieren nicht einmal, das Sie in Summe den Ölverbrauch steigern. Diese Leute sollten erst einmal Nachhilfe bei Nico Paech nehmen: http://www.youtube.com/watch?v=uEfdpRX-CS8 (Vortrag Postwachstumsökonomie).

  9. Florian Hoppe sagt:

    @Rubin: Leider nein, bin erst bei “Warum die Welt immer kleiner wird”. Und das ist in der Tat doch ziemlich lesenswert. Klar sind einem einige Sachen schon klar, aber dann kommen doch noch etliche Details, welche man in der ganzen Energiedebatte nicht bedenkt.

    @Peach: Danke für das Video, werde ich mir mal wenn ich mehr Zeit hhabe, genehmigen.

    Was eine Postwachstumsökonomie betrifft, habe ich bisher nur Tim Jacksons “Wohlstand ohne Wachstum” gelesen. War da doch ein wenig enttäuscht, weil seine Schlussfolgerungen recht vorhersehbar waren und ich mich immer fragte “Wie will er das finanzieren?”.

  10. Zur Ölpreisprognose der OECD: Am 12. März hatte ich auf den Widerspruch zwischen OECD und der OECD-Organisation IEA hingewiesen. Zwei völlig konträre Meinungen also in derselben Behörde. Wer auch immer Recht behalten wird: Klar ist, dass der Ölpreis ein Risiko darstellt:
    http://www.energiepolitik.de/verwirrung-um-zukunft-des-olpreises/

  11. @ Ert:
    Mit “End of Growth” ist der Titel von Richard Heinberg gemeint, oder?

Diesen Eintrag kommentieren:

* Hinweis: Dieses Formular speichert Name, E-Mail und Inhalt, damit wir den Ueberblick ueber auf dieser Webseite veroeffentlichte Kommentare behalten. Fuer detaillierte Informationen, wo, wie und warum wir deine Daten speichern, welche Loesch- und Auskunftsrechte Du hast - wirf bitte einen Blick in unsere Datenschutzerklaerung.