Zum Textbeginn springen . Zur Navigation springen .

Kommentarlos, Teil 49

Noch vor sechs Monaten hatten die Energieanalysten vorhergesagt, dass die Förderung der Opec-Länder zulegen wird und sich Saudi-Arabien deswegen zurückhalten muss. Mittlerweile haben sie ihre Meinung aber geändert – denn die Förderung in Libyen, Iran und Irak hat sich nicht im erhofften Ausmaß erholt.

[...]

„Jetzt geht es nicht mehr darum, ob die Saudis mehr Raum geben, sondern darum, ob sie weitermachen und über ausreichende freie Kapazitäten verfügen”, sagte Jamie Webster, Analyst von IHS in Washington. „Der Opec fällt es zunehmend schwerer, ihre Arbeit zu machen und alle notwendigen Barrel zu liefern.”

Zu lesen: Im Handelsblatt (Dank an Mario)

EIA: Schieferöl-Schätzung im Monterey Shale um 96% gekürzt

EnergyComment verweist auf einen Artikel der Los Angeles Times, nach welcher die US-Energiebehörde EIA ihre Schätzungen für ein großes Tight-Oil-Gebiet in Kalifornien um 96% nach unten korrigiert hat. Dem sogenannten "Monterey Shale" wurde in einer Studie der Ingenieur-Firma Intek Inc. 2011 ein mögliches Ölfördervolumen von 13,6 Milliarden Barrel zugesprochen. Eine darauf aufsetzende Studie zu den ökonomischen Segnungen dieser Tatsache führte zu den Hoffnungen, Kaliforniens Bruttoinlandsprodukt könne bis 2020 um 14% steigen und dabei 24,6 Milliarden US$ zusätzliche Steuereinnahmen bei 2,8 Millionen neuen Jobs hervorbringen. J. David Hughes vom PostCarbonInstitut kritisierte in seiner Untersuchung der Intek-Studie von Dezember 2013, ihre "überoptimistischen Schätzungen". Seiner Einschätzung hat sich die EIA nun offenbar angeschlossen. Die Förderung der vorhandenen Mengen ist mit der Fracking-Technologie offenbar nicht machbar. Der versprochene Boom wird wohl ausbleiben.

J. David Hughes hatte Anfang 2013 für das Fachmagazin NATURE die Schätzungen für unkonventionelle Öl- und Gasvorkommen in den USA allgemein als zu optimistisch bezeichnet und es "unklug" genannt, die Energieunabhängigkeit für die USA auszurufen (siehe auch: Fracking-Blase: Höhere Kosten und weniger Erträge als erhofft). Auch seiner damaligen Analyse, dass das Bakken-Areal in den USA sein Fördermaximum 2017 erreichen könnte, hat die EIA inzwischen mehr oder minder übernommen: Das neue Fördermaximum der USA sieht die Energiebehörde 2016/2017 kommen:

US-Oelfoerdung 2014-2040

Außerdem:

Russland: Öl und Gas nur noch gegen Rubel?

Wie vor allem die österreichische (Die Presse, Wirtschaftsblatt.at) und Schweizer Presse (Handelszeitung) meldet, arbeiten die russischen Behörden daran, den Verkauf von Öl und Gas ins Ausland zunehmend in Rubel statt Dollar abzuwickeln. Diese Vorgabe soll nicht für privat geführte Firmen gelten, demnach für alle Unternehmen in überwiegendem Staatseigentum, zu welchem die großen Öl- und Gaskonzerne, insbesondere Gazprom gehören. Laut Presse besagt die Vorgabe, dass (zumindest im ersten Schritt) nicht zwingend der Kunde mit Rubel bezahlen muss, aber bei den Unternehmen Rubel eingehen sollen. Daraus folgt, dass bei einer Zahlung in Dollar oder Euro eine Bank als Zwischenhändler eintritt.

Der russische Staat kann somit zwei Stoßrichtungen verfolgen:

  1. Die öl- und gasexportierenden Staatsunternehmen müssen ihre Ausgaben primär in Rubel tätigen und treten somit im heimischen Markt als Nachfrager auf. Die so umgelenkte Kaufkraft dürfte mittelfristig dafür sorgen, dass mehr Kaufkraft im Land bleibt und damit Lieferanten mit entsprechendem KnowHow in Russland entstehen bzw. wachsen. Die Nachfrage nach Rubel steigt, was insbesondere der aktuell anhaltenden Rubel-Flucht entgegenwirken dürfte: Mussten Rubel-Besitzer Ende 2013 noch 32 bis 33 Rubel für einen Dollar zahlen, waren jüngst 35 bis 36 Rubel zu zahlen.
  2. Da offenbar ein Währungsgeschäft zwischen der Ausgabe des Öl- und Gaskäufers und der Einnahme auf Seiten des Öl- und Gaslieferanten liegt, kann die dazwischengeschaltete (Staats-?)Bank Devisen-Einnahmen verzeichnen. Angesichts des aktuellen Abflusses von Devisenreserven der russischen Zentralbank kann dieses Manöver für frischen Devisen-Zufluss sorgen.

Man kann diese Entwicklung als Zeichen der Schwäche werten, bei dem die russischen Behörden versuchen, den europäisch-amerikanischen Sanktionen zu begegnen. Man kann sie aber auch in Zusammenhang mit einer grundlegenden Neuorientierung im Bereich der Energie- und Wirtschaftspolitik sehen, zu der folgende Entwicklungen dazugehören:

Die Verknüpfung zu China ist insofern bedeutsam, als dass China seit längerem Öl- und Gasgeschäfte auf Basis der eigenen Währung abwickelt. Daher ist schon hin und wieder vom "Petro-Yuan" als Gegenspieler des "Petro-Dollar" die Rede. FinancialSense.com verwies darauf, dass neben China auch Russland und Iran bereits Ölgeschäfte mittels der chinesischen Währung abgewickelt haben. Venezuela, Angola und der Sudan könnten folgen. Da China inzwischen die USA als größter Ölabnehmer Saudi Arabiens abgelöst hat, könnte diese Entwicklung auf Dauer auch die Wahl der Währung beeinflussen, die für solche Geschäfte genutzt wird und damit die Bedeutung des US-Dollars beeinflussen.

Kritiker dieser Entwicklung warnen vor den Risiken: So zeigte die 2007/2008 ausgelöste Finanzkrise, dass kleine Erschütterungen im Finanzsystem große Schockwellen auslösen können. Und aus Sicht Chinas gilt es die riesigen Dollar-Investitionen zu beachten, die im Laufe der letzten 25 Jahre angehäuft wurden und die bei einer Abwertung des US-Dollars dahinschmelzen würden.

Russland hat zumindest letzteres Problem nicht.

 

Weiteres:

Deutsch-Amerikanisch-Russische Freundschaft

Angela Merkel, die heimliche Präsidentin Europas, besuchte die USA. Es darf angenommen werden, dass es im Gespräch mit US-Präsident Obama nicht nur um die globale Überwachungsmaschinerie der NSA gegangen ist, sondern auch um den Ukraine-Konflikt. Ein Konflikt, in dem USA und Europa scheinbar auf derselben Seite stehen, bei dem jedoch unterschiedliche Interessen der beiden Mächte unübersehbar sind. Der Interessenskonflikt zeigt sich am deutlichsten dort, wo es um die Energieversorgung geht. Denn während die USA seit den ersten Fracking-Erfolgen ab 2005 mit steigender Öl- und Gasernte im eigenen Land rechnet, schrumpft Europas Öl- und Gasförderung seit 2004 und die Abhängigkeit gegenüber dem vermeindlichen "Gegner" Russland stieg und steigt weiter an.

Selbst auf den Ölmärkten hat sich diese Entwicklung derart niedergeschlagen, dass der Preis für Rohöl seit Anfang 2011 auseinanderklafft: In Nordamerika gilt seitdem ein dauerhaft niedriger Ölpreis als in Europa - die nordamerikanische Ölsorte WTI war zeitweise mit einem Preisabschlag von über 20 US$ im Vergleich zur europäischen Ölsorte BRENT zu kriegen:

Ölpreis (mehr …)

Wie Öl- und Gasförderung unsere Städte verändert

SPIEGEL-TV-Reporter waren (offenbar zum Ende des vergangenen Jahres) in Williston, Nord Dakota. In Nord Dakota liegt das Bakken-Areal, eine der großen Ölfördergebiete in den USA, in denen per Fracking Tight Oil gefördert wird.

Ölförderung ist ein finanzintensives Geschäft. Um erfahrene Menschen zum Arbeiten in diesem Bereich zu gewinnen, werden durchaus hohe Löhne gezahlt. Was passiert, wenn großes Geld in kleine Städte fließt zeigt die SPIEGEL-TV-Reportage über Williston anschaulich:

Mit einer Nebenwirkung der Erdgas- und Wasserförderung hat sich Axel Bojanowski in einem Kapitel seines neuen Buchs "Die Erde hat ein Leck" beschäftigt: Dem Absinken von Häusern und Stadtteilen. Shanghai, New Orleans, Athen aber auch Niedersachsen oder die Gegend um Groningen sind davon betroffen, dass die Gas- und Wasserförderung Platz im Untergrund schafft, in die dann die Erdoberfläche nachrutscht:

Das Münsterland wiederum hat derzeit mit Öl zu kämpfen, von dem noch nicht ganz klar ist, woher es kommt. Allerdings spricht viel dafür, dass das an den unmöglichsten Stellen in der Landschaft auftauchende Öl aus der Strategischen Ölreserve kommt, die in alten Salzkavernen angelegt wurde. Diese Entwicklung ist umso irritierender, als dass sie zeigt, dass auch die Lagerung von Öl zur Sicherung vor Ölkrisen nicht nebenwirkungsfrei passieren kann:

Außerdem:

Off-Topic:

Kommentarlos, Teil 46

Wir haben seit dem Zusammenbruch des Ostens vielleicht keine andere Vision als die der einer konsumorientierten Wohlfühl-Gesellschaft. Es ist für fast alle Menschen sehr positiv in einer solchen Gesellschaft zu leben und es gleicht einem Tagtraum. Dieser angenehme Tagtraum erfüllt sich für die meisten Menschen seit fast 70 Jahren gerade hier im Westen.

Thomas Reis in der Wiener Zeitung anläßlich des heute begangenen "Tag der Erde"

Shamoon: Bundesregierung weiß von nix

Im August 2012 löschte ein Computervirus namens Shamoon 30.000 Businesscomputern des saudischen Ölkonzerns Saudi Aramco die Festplatten. Zu dem Anschlag bekannte sich eine Gruppe namens "the cutting sword of justice". Ziel des Angriffs war offenbar die Sabotage der Ölförderung. Wäre der Angriff erfolgreich gewesen, wäre der damals weltgrößte Ölförderer möglicherweise lahmgelegt worden. Laut Saudi Aramco wurden die Ölfördersysteme nicht torpediert - doch das würde natürlich jedes Unternehmen sagen.

Jeder Bundestagsabgeordnete hat die Möglichkeit, 4 schriftliche Fragen pro Monat einzureichen. Stephan Kühn, MdB aus Dresden, hat einige Fragen zu dem Shamoon-Angriff eingereicht. Die Antworten: mager. Man kann nur hoffen, dass die Bundesbehörden an anderen Stellen mehr wissen.

Siehe:

Außerdem:

Was wäre, wenn Russland der EU den Gas- und Ölhahn abdreht?

Steffen Bukold von EnergyComment wurde vom SWR gefragt, welche Wirkungen eigentlich eine Eskalation des Ukraine-Konflikts auf die Energieversorgung hätte. Das interessante Gespräch, was auch die Themen Fracking und EU-Energiepolitik schrammt, ist sehr empfehlenswert.

 

Quelle: Der Süchtige am Gashahn, SWR

Dazu passend:

Weiteres: