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Peak Oil im neuen Thüringer Energieministerium?

Die heutige Wahl von Bodo Ramelow zum neuen Thüringer Ministerpräsidenten ist auch für Anpassungsstrategien an Peak Oil bedeutsam, denn wie die Koalitionsfraktionen aus LINKE, SPD und Grüne vereinbart haben, wird das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Energie von Anja Siegesmund geleitet. Neben dem Justizministerium haben die thüringischen Grünen damit die zentrale Leitstelle für die Landesentwicklung im Bereich Energie in der Verantwortung. Spannend ist das insofern, als dass die Fraktion noch im Februar 2014 die Studie "Peak Oil - Herausforderung für Thüringen" vorstellte, zu der die Landtagsfraktion dann auch einen Antrag formulierte, der jedoch nicht mehr im Parlament behandelt wurde. Der Entwurf des Antrags sah unter anderem vor, die Landesregierung aufzufordern, Vorsorgepläne für das Land Thüringen und die Kommunen zu erstellen, Forschung für Verletzlichkeitsanalysen und Resilienzstrategien anzustoßen oder über regionale Wirtschaftskreisläufe die Abhängigkeit von Öl zu verringern.

Die Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe sowie die Fortentwicklung der Energiewende sind an prominenten Stellen im Koalitionsvertrag verankert. Mit Besetzung zweier Ministerien hat die grüne Fraktion nun die Möglichkeit, Vorgedachtes direkt (und ohne Antragstellung im Parlament) umzusetzen. Wir sind gespannt, wie sich das neue Umweltministerium formiert und welche Aktivitäten in Richtung eines Peak-Oil-resilienteren Thüringens es vorantreiben wird...

Glückwunsch an die neue Landesregierung. An die Arbeit!

Kommentarlos, Teil 58

Der Witz der Woche kommt aus Russland:

Nächstes Jahr wird Putin 63 Jahre, Öl kostet 63 Dollar und der Rubel wird mit 63 zum Dollar gehandelt.

 

Aus dem ASPO/USA-Peak-Oil-Review-Newsletter

Ölpreisschock: US-Fracking-Aktivitäten brechen um 40% ein

Der seit Juni anhaltende Ölpreis-Einbruch, der jüngst durch das Nicht-Eingreifen der OPEC verstärkt und manifestiert wurde, hat in den USA bereits zu einem Zurückfahren der Fracking-Aktivitäten geführt. Wie Reuters bezugnehmend auf Drilling Info Inc berichtet, sank die Zahl neuer Bohrungen von 7227 in Oktober auf 4520 im November - ein Rückgang um 40% binnen eines Monats. Zwar sind dabei auch witterungsbedingte Rückgänge enthalten, offensichtlich wird der starke Rückgang aber auch von einer zurückgehenden Investitionsneigung getrieben.

Wie Leser dieser Webseite wissen, ist die Besonderheit von Fracking-Ergebnissen in einer stark veränderten Förderkurve abzulesen. Demnach wird in den ersten Tagen die höchste Fördergeschwindigkeit erzielt, die dann stark absinkt:

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Um eine dauerhafte Öl- oder Gasernte zu erzielen, müssen alte Bohrungen darum regelmäßig durch neue Bohrungen ersetzt werden. Passiert dies nicht, würde die Gesamtförderung ähnlich schnell zurückschrumpfen wie die Erntemengen einer einzelnen Bohrung. Da bei wachsendem Gesamtoutput deshalb auch die Zahl der Ersatzbohrungen mitwachsen muss, ergibt sich daraus der "Red-Queen-Effekt": Die rote Königin erklärt Alice im Wunderland, dass sie dort immer schneller laufen müsse, nur um am gleichen Fleck zu bleiben. Bezogen auf Fracking besagt dieser Effekt: Wächst die Zahl der Bohrungen nicht mehr angemessen, schrumpft die Öl- und Gasernte recht schnell zusammen.

Da im Öl- und Gasförderprozess verzögernde Faktoren enthalten sind, wie die Ölernte also nicht sofort spürbar abnehmen, aber vermutlich in den kommenden Monaten und dann braucht das System wieder Zeit, um die Bohrungsaktivität wieder anzufahren. Die Folgen des Ölpreisschocks sind also schon sichtbar: Die USA werden ihre Ölförderung in 2015 vermutlich nicht mehr steigern können, möglicherweise geht die Ölförderung bereits zurück.

Das allerdings bedeutet mit großer Wahrscheinlichkeit das Erreichen des globalen Ölfördergipfels. Denn nur Nordamerika trugen in den Jahren seit 2005 überhaupt eine Steigerung der globalen Ölförderung bei. Ohne Berücksichtigung der USA und Kanada ist die Welt bereits seit 9 Jahren auf dem Ölfördergipfel:

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Der Ölpreisschock entzieht dem US-Fracking offenbar die ökonomische Grundlage; und der Welt den letzten verbliebenen Wachstumstreiber der Ölversorgung.

Weitergehend:

Rückblick:

Rosneft-Chef Setchin: Welt-Organisationen sind wenig wirksam; Ölpreisziel bei 60 US$

In einem ausführlichen Interview mit der WELT stellt der Igor Setchin, Chef des größten russischen Ölkonzerns Rosneft, den globalen Organisationen für Energie und Handel ein sehr schlechtes Zeugnis aus:

Man muss eingestehen, dass die bestehenden Branchenstrukturen wie die Internationale Energieagentur oder das Sekretariat der Energiecharta leider ihre Funktion nicht erfüllt haben. Sie haben keine Vorschläge, Empfehlungen oder Mechanismen ausgearbeitet, um Spannungen auf dem Energiemarkt zu beseitigen. Schon fünf Monate lang fällt der Ölpreis.

Der aktuelle Preisverfall, dem das zerstrittene OPEC-Kartell nicht durch Förderkürzungen entgegen treten will, würde laut Setchin den Ölpreis in 2015 auf 60 US$ senken. Für das laufende Geschäft sei Rosneft dennoch ausreichend gewappnet, auch wenn Setchin dann Investitionen "in gewisse teure Projekte verschieben" muss. Laut Setschin hat der aktuelle Ölpreisverfall auf Russland weniger Auswirkungen als die Sanktionen im Zuge des Ukraine-Krieges, bei der russischen Energiekonzernen der Zugang zum westlichen Kapitalmarkt und zu westlicher Technologie erschwert ist.

Setchin äußert sich verwundert darüber, warum die Welthandelsorganisation WTO nicht im aktuellen Konflikt eingeschaltet wird, immerhin handelt es sich um ein Preisdumping, welches bei anderen Gelegenheiten die WTO auf den Plan rief. Die Eigeninteressen jedes Landes respektierend schlägt der Rosneft-Chef die Bildung eines "Rates für den Ölmarkt" vor:

Ich denke, erfolgreiche Aussicht haben nicht die Kartellorganisationen, sondern die Schaffung eines Rates für den Markt, wobei sowohl Ölproduzenten wie auch -konsumenten involviert sein müssten. Dann könnten Koordinationen stattfinden, man könnte ein genaues Verständnis des Ausgleichs zwischen Verbrauch und Produktion bekommen.

Dieser Vorschlag könnte im Zusammenhang mit einem absehbaren Ölförderrückgang und starken Ölpreisschwankungen zu einer konzertierten und koordinierten Aktivität der Weltgesellschaft führen. Statt den Rückgang der Ölförderung in einigen Jahren unkontrolliert ablaufen zu lassen, könnte eine Abstimmung der Ölförderer und der Ölverbraucher größere Verwerfungen vermeiden helfen. Gefragt, was die Ursache für den aktuellen drastischen Preisverfall sei, antwortet der Ölkonzernchef:

Ein gewisses Überangebot. Auch haben die USA aufgehört, den Dollar-Kurs stabil zu halten, was laut unseren Experten für 40 Prozent des Ölpreisverfalls verantwortlich ist. Ein dritter Faktor betrifft den regionalen Markt in den USA – und zwar die Fördersteigerung bei Shale-Öl. Diese Förderung wird weiter steigen. Aber praktisch alle Experten sind sich einig, dass von 2017 bis 2025 die höchste Fördermenge erreicht ist. Nach 2025 beginnt sie zu sinken – und zwar wegen der Ressourcenbasis, soweit sie uns heute bekannt ist. Im Moment verstärkt die US-Förderung den Preisverfall, künftig aber wird die zurückgehende Produktion den Preis treiben.

Offenbar hat Rosneft bereits am Dienstag eine homöopathische Fördersenkung um 25.000 Barrel pro Tag verkündet. Im WELT-Interview verweist Setschin darauf, dass es technisch möglich sei, die russische Förderung um weitere 200.000 bis 300.000 Barrel täglich zu senken. Einen Einfluss auf den globalen Ölpreis dürfte dies kaum haben, als Signal an die pipelinegebundenen Ölkunden Russlands darf es dennoch verstanden werden.

Weiterlesen:

Russland: Steuerpläne ziehen russischen Peak Oil vor

Am Dienstag, parallel zu einem ergebnislosen Treffen von Russland, Venezuela, Saudi-Arabien und Mexiko in Wien, unterzeichnete der russische Präsident Putin ein Gesetz zur Änderung der Steuer- und Zollbestimmungen für Erdöl und Ölprodukte. Das Gesetz wurde seit längerem diskutiert und hat großen Widerstand aus den Reihen der großen Ölfirmen hervorgerufen - sogar von Rosnefts Chef Igor Setchin, der Putin sehr nahe stehen soll. Im Ergebnis senkt der russische Staat die Ausfuhrzölle auf Öl und Ölprodukte, während er zugleich die Steuern auf gefördertes Erdöl anhebt. Laut Reuters steigt die sogenannte "mineral extraction tax" (MET) von derzeit 493 Rubel pro Tonne auf 765 Rubel in 2015, 856 in 2016 und 918 in 2017. Die sinkenden Ausfuhrzölle auf Rohöl und Ölprodukte sollen einen Anreiz zum Export setzen und durch ihre Staffelung dazu beitragen, dass die Raffinerieindustrie in Russland wächst. OilPrice.com verweist darauf, dass die Konzentration an Raffinerie-Firmen dadurch weiter zunehmen könnte, da kleine Firmen durch die absehbar steigenden Beschaffungskosten unwirtschaftlicher arbeiten werden. (mehr …)

Trifft Russland Venezuela auf dem Weg zu einer zweiten OPEC?

Am 16. Juni hielt der (aus Libyen stammende) OPEC-Generalsekretär Abdalla S. El-Badri auf dem 21. Welt-Petroleum-Kongress in Moskau eine bemerkenswerte Eröffnungsrede, in der er die Stabilität der Ölmärkte als gemeinsames Ziel aller versammelten Akteure beschwor: Ölverbraucher wie Ölproduzenten, OPEC-Mitglieder und Nicht-OPEC-Mitglieder, auch das von Gastgeber Russland. Er sagte:

Unser Augenmerk sollte darauf liegen, Marktstabilität beizubehalten. Das war zentral für die OPEC-Entscheidung der letzten Woche, die OPEC-Ölförderung auf dem Niveau von 30 Millionen Barrel täglich zu belassen. Das ist, was vom Markt benötigt wird. Wir sehen heute einen ausgeglichenen und stabilen Ölmarkt.

Und wenn wir auf die Marktindikatoren schauen, erwarten wir dies auch für den Rest von 2014. Es gibt ein gleichbleibendes Nachfragewachstum und genug Angebot es zu decken; sowohl mit Vorräten wie auch freien Förderkapazitäten auf komfortablem Niveau.

Stabilität ist zentral für alles, was wir tun. Es ist das Anliegen, das uns alle verbindet. Und dies wird am besten erreicht, wenn alle Interessentsgruppen einander besser verstehen durch verstärkten Dialog und Kooperation. Ich bin sicher, dies wird sich im Laufe der Kongresswoche zeigen.

Wenige Tage nach dieser Rede begann der jüngste Ölpreiskollaps, der den Ölpreis von damals 115 US$ binnen 5 Monaten auf unter 80 US$ fallen ließ.

Irgendwas passt nicht zusammen.

Lücken im Kartell

Der deutsche Staat hält sich ein Bundeskartellamt, zu dessen Aufgaben es gehört, das Kartellverbot hierzulande durchzusetzen:

Koordinieren Wettbewerber untereinander ihr Verhalten auf einem Markt, um dadurch den Wettbewerb einzuschränken oder auszuschalten, spricht man von einem Kartell. [...] Kartellabsprachen führen regelmäßig zu überhöhten Preisen bei sinkender Produktqualität.

Die OPEC ist ein offen geführtes Kartell: Jeder weiß, dass es existiert und dass seine Mitglieder das Ziel verfolgen, möglichst hohe Erlöse für sich durch Koordination der Ölförderung einzustreichen. Zudem hat dieses Kartell globale Bedeutung, erkennbar am gehandelten Stoff (Öl), der weltweit benötigt wird, aber auch daran, dass nicht einzelne Firmen, sondern mehrere Staaten ihre Interessen in diesem Gremium vertreten. Derzeit sind dies die Gründungsmitglieder von 1960 Irak, Iran, Saudi Arabien, Kuwait und Venezuela, sowie Katar, Libyen, Algerien, Nigeria, Angola, Equador und die Vereinigten Arabischen Emirate. Den größten Erfolg hatte das Kartell in den 1970ern, als es die ersten zwei großen Ölkrisen dadurch auslöste, dass es seinen Marktanteil von 55% zu passablen Preissteigerungen anbot.

Allerdings zeigt die Geschichte wie auch die aktuelle Situation, dass keineswegs alle OPEC-Mitglieder in jedem Fall dieselben Interessen teilen. Man erinnere sich nur an den Überfall von Saddam Husseins Irak auf den Nachbarstaat Kuwait anno 1990 oder den aktuell laufenden Stellvertreterkrieg zwischen dem sunnitisch dominierten Saudi-Arabien und dem schiitisch dominierten Iran in Syrien. Jeweils standen und stehen sich Länder feindlich gegenüber, die als OPEC-Mitglieder gemeinsame Sache machen.

Lücken in der US-Weltverschwörung

Der aktuelle Medien-Konsens besteht weitgehend darin, dass der Ölpreisverfall durch Saudi-Arabien ausgelöst wird. Wahlweise versucht das Land dadurch seine Marktanteile zu sichern oder politischen Einfluss auf andere Länder zu nehmen. Dem US-Fracking-Erfolg wird die zweite Komponente zugeschrieben, doch ist auch hier die Interessenlage alles andere als eindeutig: Einerseits bringt der niedrige Ölpreis dem ölsüchtigen US-Konsumenten Spielraum in die Brieftasche, andererseits torpediert der Ölpreis das Geschäftsmodell der Fracking-Firmen und beschädigt so auf Dauer die frisch gewonnenen Eigenversorgungsmöglichkeiten der USA. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die oftmals berichteten Förderkosten von 60-80 US$ pro Barrel für das US-Fracking stimmen. Fraglich ist hierbei jedoch, wie das tatsächliche Interesse Saudi-Arabiens aussieht. Denn regelmäßig gilt die ultraorthodoxe Monarchie als enger Verbündeter der USA - klingt es daher logisch, dass ausgerechnet die Saudis die US-Fracking-Industrie mit einer teuren Preiskampagne angreifen wollen?

Doch der Ölpreis hat auch außerhalb von rein wirtschaftlichen Fragen Relevanz: Er wird sehr schnell politisch. Einerseits setzt der Ölpreiskollaps mindestens drei globale Konkurrenten der USA unter Druck: Venezuela, Iran und Russland. Russland läßt verlauten, dass es vermutet, dass der Ölpreiseinbruch auf eine Kooperation von Saudi-Arabien und den USA zurückgeht. Andererseits treibt dieser Druck die betroffenen Länder dazu, sich nach neuen Kooperationen umzuschauen. Was wäre denn, wenn Russland Mitglied der OPEC würde und seine Preisinteressen gemeinsam mit anderen ölexportierenden Staaten durchsetzen würde? Immerhin denkt man laut Russlands Energieminister Alexander Novak in Russland über eine Kürzung der Ölförderung nach. Oder wenn Russland eine "zweite OPEC" begründet und sich mit einzelnen Ländern über Förderquoten verständigt? Sollten solche Kooperationen gelingen, entstünde möglicherweise ein Konstrukt, das dem us-amerikanischen Lifestyle nicht gerade zuträglich ist.

Doch genau dafür gibt es Signale, die ihren vorläufigen Höhepunkt in der kommenden Woche finden könnten, denn am Donnerstag, den 27.11.2014 trifft sich erneut die OPEC in Wien - mit Russland ganz in der Nähe.

Öldiplomatie in vollem Gange

Venezuela, Russland und Iran sind aufgrund ihrer großen Abhängigkeit von Verkaufserlösen die großen Verlierer des aktuellen Ölpreiseinbruchs. Die diplomatischen Bemühungen laufen daher bereits vor dem OPEC-Treffen auf Hochtouren. Bloomberg berichtet, dass Venezuelas Präsident Nicolas Maduro sich um Kooperation mit Nicht-OPEC-Mitgliedern bemüht. Der venezuelanische Außenminister traf deshalb sechs Energieminister, darunter den russischen Energieminister Alexander Novak. Ein weiteres Treffen dieser Art ist kommenden Dienstag angesetzt, zwei Tage bevor die OPEC zu ihrem Treffen zusammenkommt. Und es wurde auf Drängen von Venezuela von Caracas nach Wien verlegt, so dass alle wichtigen Akteure sich in derselben Woche in der österreichischen Hauptstadt einfinden.

Ganz offenbar ist die Öldiplomatie in vollem Gange. Venezuela scheint nach Kooperationspartnern außerhalb der OPEC zu suchen, um beim OPEC-Treffen mit vergrößerter Macht seine Position deutlich zu machen. Und die kann aus Venezuelas Sicht nur lauten: Ölförderung drosseln, um den Ölpreis über die (inzwischen) gewohnten 100-US$-Grenze zu heben. Diesen Wunsch dürfte auch Russland teilen, welches zur Stabilisierung des Staatshaushalts eher 120 als 100 US$ braucht (siehe: Telepolis: Warum der Benzinpreis nicht sinken darf). Auch Igor Setchin, Chef von Rosneft und Vertrauter Putins, wird Wien besuchen.

Signale einer engeren Kooperation zwischen Russland und dem Kartell gab es beispielsweise auch 2011. Katars Ölminister hätte Russland gern in der OPEC gesehen, auch wenn er die Chance dafür gering einschätzte. Auch Saudi-Arabien hat über den damaligen Geheimdienstchef Bandar bin Sultan Russland im Sommer 2013 wohl eine OPEC-Mitgliedschaft angeboten. Allerdings wurde das damalige Zusammentreffen von Bandar und Putin sehr seltsam kommentiert. Von einem "Geheimdeal" war die Rede, der Preis- und Mengenabsprachen zur Ölförderung vorsah. Nichts, was die US-Politik gern sehen würde. Die Meldung wurde damals aus russischen Quellen lanciert und bekommt einen schalen Beigeschmack, wenn man sie damit verbindet, dass Bandar bin Sultan im April 2014 der Geheimdienstposten entzogen wurde. Hauptzweck des Gesprächs zwischen Bandar und Putin war zu diese Zeitpunkt wohl, die Unterstützung Russlands für den syrischen Staatschef Assad zu kappen. Zum Zeitpunkt des Treffens stellte sich Russland demonstrativ an die Seite Assads, der als letzter Verbündeter aus postsowjetischen Zeiten im arabischen Raum übriggeblieben ist. Letztlich scheiterte an Russlands Haltung ein konsequentes Vorgehen der USA gegen die syrische Staatsmacht, mit dem Effekt, dass Syrien heute in Teilen an die ISIS-Extremisten gefallen ist und sich zu einem "failed state" mit einem Flüchtlingsproblem entwickelte, das inzwischen bis nach Deutschland reicht.

Öl, Geld und Politik: Russland unter Druck

Der Preisverfall setzt Russland massiv unter Druck. Gut möglich, dass eine abgestimmte saudi-amerikanische Ölpolitik den Preisverfall hervorrief, mit dem Russland gefügig gemacht werden soll. Wenn Putin Assad fallen läßt und sich von Sanktionen und drohenden Finanz- und Wirtschaftsproblemen auch bezüglich der Ukraine verhandlungsbereit zeigt, könnte der Ölpreis sich vielleicht schneller erholen, als man denkt. Aus politischen, nicht aus wirtschaftlichen Gründen. Allerdings könnte die aktuelle Situation auch zu neuen, ungewohnten Konstellationen führen. Wenn der weltgröße Ölexporteur Saudi-Arabien mit dem weltgrößten Ölverbraucher USA gemeinsame Sache macht und die Interessen der anderen OPEC-Mitglieder hintergeht, könnte es (mal wieder) zu hitzigen Diskussionen in Wien führen. Wenn parallel Russland mit unzufriedenen OPEC-Mitgliedern Kooperationsgespräche führt, könnten neue Allianzen entstehen. Politik ist manchmal ein überraschungsreiches Geschäft.

Es wäre interessant zu wissen, was im Juni auf dem Welt-Petroleum-Kongress in Moskau hinter den Kulissen besprochen worden ist.

Kommentarlos, Teil 57

Die neue Situation kommt nicht nur für die Opec überraschend. Noch bis ins vorige Jahr hinein wurde das Ende des Ölzeitalters propagiert. Die „Peak Oil“-Propheten beherrschten die öffentliche Debatte, durften schönste Beratungs- und Rednerhonorare für ihr Untergangsgeraune einstreichen.

Ihre düsteren Visionen hatten auch deshalb Hochkonjunktur, weil sie perfekt zu den Programmen einer ökologischen Energiepolitik passten, die Umwelt und Klima vor fossilen Brennstoffen zu bewahren trachtet: Wenn Öl und Gas knapp werden, dann werden sie teuer und erneuerbare Energiequellen relativ preiswert, war die von grünem Wunschdenken gespeiste Logik.

Heute darf man sagen: Pustekuchen.

FAZ: Sinkende Ölpreise: Die Welt schwimmt in Öl

Lobbyismus + Kopenhagener Erklärung: Europas Geologen fordern Wissenschaftlichkeit

Bei einem Treffen der Direktoren der Europäischen Geologischen Dienste der Nordatlantikgruppe (NAG) im September in Kopenhagen entstand ein gemeinsamer Text, die "Kopenhagener Erklärung". Darin äußern die Direktoren ihre Sorge über "irreführende Medienmeldungen über die Erkundung und Gewinnung von mineralischen und Energie-Rohstoffen" und verweisen auf die Möglichkeit, dass die geologischen Dienste von den Regierungen übergangen werde und so die Chance vermindert wird, "objektiv und interessensneutral über Abschätzungen von Schiefergas- und anderen Georessourcen zu informieren".

Auf Nachfrage bei der Bundesagentur für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), was Anlass für diese Erklärung gewesen sei, schrieb man mir:

Die Direktoren der Geologischen Dienste sind besorgt über irreführende Medienmeldungen über die Erkundung und Gewinnung von mineralischen und Energie-Rohstoffen. Häufig werden wissenschaftliche Ergebnisse und Schlussfolgerungen bei der Berichterstattung ignoriert. Dies kann, wenn verschiedene Meldungen nicht reflektiert werden, durchaus zu nachteiligen Entscheidungen für die Gesellschaft führen.

Ein Beispiel für eine „irreführende Berichterstattung“ ist der Film Gasland. In diesem preisgekrönten Dokumentarfilm von Josh Fox wird ein brennender Wasserhahn gezeigt. Dieser Wasserhahn wird in Verbindung mit der Förderung von Erdgas durch die Fracking-Technologie gesetzt. Dieser Zusammenhang besteht jedoch nicht. Das hat mittlerweile auch der Regisseur zugegeben. Unter folgendem Link finden Sie die Dokumentation „FrackNation“. Sie beleuchtet diese und andere Falschdarstellungen. Auch die NDR-Sendung „Angst vor Fracking“ (Panorama 3- Die Reporter) verdeutlicht die Problematik und zeigt, welche Folgen falsche Darstellungen und Wahrnehmungen erzeugen können.

Das BGR verweist in seiner Antwort zudem auf die Diskussion mit dem Umweltbundesamt (UBA). Im öffentlichen Diskussionsprozess um die Fracking-Frage haben beide Bundesbehörden in den vergangenen Jahren teils unterschiedliche Schlußfolgerungen aus ihren Erkenntnissprozessen gezogen.

Es ist zu begrüßen, dass die BGR und die verbundenen europäischen Geologischen Dienste auf ihre Kompetenz hinweisen und Lobby-Kampagnen Fachwissen entgegensetzen. Jüngst verwies die Organisation Lobbycontrol auf eine Veröffentlichung der New York Times, der ein Mitschnitt eines Vortrags des US-Lobbyisten Rick Berman zugespielt wurde. Dieser riet Vertretern der Öl- und Gasindustrie im Juni 2014 zu "schmutzigen" Lobbymethoden in der Bekämpfung ihrer Gegner und stellte zugleich eine Kampagne namens "Big Green Radicals” seiner PR-Agentur vor.

Lobbyismus und Einflussnahme ist im milliardenschweren Öl- und Gasgeschäft keine Seltenheit. Im Februar 2013 lobbyierten deutsche Öl- und Gasfirmen für Fracking per Briefkampagne bei den deutschen IHK. Der Matt-Damon-Film "Promised Land", der die Auseinandersetzung von Landkäufern im Auftrag einer Fracking-Firma und den Bewohnern einer US-Kleinstadt thematisiert, wurde wegen der Unterstützung durch einen Filmfonds des weltdrittgrößten Ölexporteurs Vereinigte Arabische Emirate kritisiert. Auch ihn könnte man als Lobbyarbeit ansehen, insbesondere da er nur wenig handfest das Fracking selbst thematisiert, sondern eher die durchaus fragwürdigen Geschäftsmethoden der Ölindustrie ins Licht rückt.

Lobbyarbeit im Sinne eines gezielten Einflusses auf die öffentliche Meinung und Entscheidungsträger ist in einer offenen Gesellschaft kaum vermeidbar. Für den interessierten Bürger ist die durch unlautere Methoden angerichtete Verwirrung (statt der Suche nach möglichst objektiven Abwägungen) jedoch mindestens abschreckend. Im ungleichen Kampf der Budgets haben Industrievertreter meist den längeren Arm gegenüber nichtmonetär ausgerichteten Umweltorganisationen. Unklar ist, inwieweit irreführende Medienberichterstattung durch Dummheit oder Absicht zustande kommt, so wie im heutigen Handelsblatt-Artikel zum Thema Fracking, in dem wieder zu lesen ist:

Die USA haben den Schritt gewagt und sich von Energieimporten weitgehend unabhängig gemacht.

Eine Aussage, für die die Direktoren der Europäischen Geologischen Dienste der Nordatlantikgruppe sicherlich zur Richtigstellung bereit wären: Aber danach hat das Handelsblatt den im Artikel zitierten BGR-Präsidenten Hans-Joachim Kümpel offenbar nicht gefragt. Trotz Fracking importieren die USA immer noch 4,7 Millionen Barrel Erdöl täglich. Das ist zwar fast eine Halbierung binnen 5 Jahren, und dennoch (nach China) das zweitgrößte Importvolumen eines einzelnen Landes.

 

Lesetip: