Wo wir heute stehen ist ein Punkt, der bereits hinter der Kreuzung liegt. Entscheidungen, die ein Abbiegen auf steuerbare Wege möglich gemacht hätten, waren vor einiger Zeit noch denkbar, jetzt ist die Reise eher vergleichbar mit der Dynamik einer Bootsfahrt auf einem Bach. Die Geschwindigkeit des Wassers ist so groß, dass unsere Aufmerksamkeit sich nahezu ausschließlich darauf richtet, das Boot nicht kentern zu lassen, aber wir haben keine nennenswerten Kapazitäten, die Richtung zu wechseln, gegen die Strömung zu rudern oder gar unser Boot ans Ufer zu bringen. Wir haben Fahrt aufgenommen. Wohin die Reise führt ist ungewiss, sicher ist nur: Wir bewegen uns. (mehr …)
Förderrückgang in Großbritannien und Saudi-Arabien, Rückgang des Öl-Exports
Zwei interessante Webseiten, die sich mit Wirtschaftsfragen beschäftigen und dabei immer mal wieder auf das Erdöl zu sprechen kommen, sind die englischsprachige Seite Early Warning von Stuart Staniford und die deutschsprachigen Querschüsse. Letztere haben Mitte November einen Blick auf die britische Nordseeölförderung geworfen, erstere einen Blick nach Saudi-Arabien. Hinzu kommt ein Blick auf die globalen Öl-Überschüsse, die für den Export "übrig" bleiben, nachdem man den Eigenverbrauch der Förderländer von der Ölförderung abzieht. Da zeigt sich eine, für Import-Länder gefährliche, Lücke. (mehr …)
News mit Öl-Bezug
- Paul Nellen (PFI) hielt am 16.11. einen Vortrag an der ECOsign-Akademie in Köln: Schock und schwere Not, oder Ist in 40 Jahren alles vorbei? (PDF)
- Saudi-Arabien will seine Ölförderung nicht von 12 auf 15 Millionen Barrel pro Tag erhöhen - Energiestrategie auf dem Prüfstand?
- Ölproduktion in Libyen erholt sich schneller als erwartet
- Jubelmeldung mit Detail: China erwartet "Wachstumspotential bei Erdöl- und Gas-Reserven". Fördermenge soll jedoch konstant bleiben.
- US-Fluggesellschaft American Airlines ist insolvent. Mitschuld: Hohe Ölpreise.
- Die IEA auf "road show" - ein englischsprachiger Einblick
- Öl aus Deutschland: Wintershall setzt Produktionsbohrung bei Schwabmünchen und Kleinaitingen
- Im Naturpark Schlaubetal soll auch nach Erdöl gesucht werden
- Veranstaltungsreihe: Peak-Oil-Triologie vom NABU-Wetterau voller Erfolg
- Hintergrund: Der Schattenmann - Marc Rich, reichster Ölhändler der Welt. Ein Portrait.
- Entwarnung? Flugzeugträger CVN-77 macht Urlaub in Marseille und parkt nicht vor Syriens Küste
- Neues Buch: Machtquelle Erdöl
Eher Off-Topic:
- Heiner Flassbeck im Interview über die Euro-Krise. (Können in einem krisenhaften Umfeld die 100-Milliarden-Dollar-pro-Jahr investiert werden, die die IEA zur schüttelfreien Ölversorgung notwendig hält?)
Kashagan – der letzte Gigant?
Als Ölgiganten bezeichnet man Ölfelder, die eine förderbare Menge von mehr als 500 Mio. Barrel haben. Zurzeit gibt es 932 Ölfelder auf der Welt, auf die dies zutrifft. Diese Felder stehen für rund 40% der konventionellen Ölreserven, also den Reserven die mit relativ überschaubarem technischem Aufwand gewonnen werden können, und für rund 50% der Tagesproduktion. Viele Geologen gehen daher davon aus, dass sich Peak Oil an diesen Giganten entscheidet, da die vielen kleinen Ölfelder, die immer wieder gefunden werden, den Förderrückgang bei den Giganten kaum ausgleichen können.
Das Kashagan Feld
Einer der zuletzt gefunden Giganten ist das im Jahr 2000 im Kaspischen Meer entdeckte Kashagan Feld. Es gehört zu den größten Ölfunden der letzten 40 Jahre. Das Feld befindet sich im nördlichem Kaspischen Meer in der Nähe der Stadt Atyrau und somit mitten in der sog. „strategischen Ellipse“!
Das Öl ist gefangen in einer 75 km langen und 35 km breiten Struktur in einer Tiefe von rund 4,5 km. Es steckt in den Porenhohlräumen eines oberdevonischen bis mittelkarbonischen Kalksteins, der nach oben durch permische Schiefer abgedichtet ist. Dieser Kalkstein hat nur eine relativ geringe Porosität, also nur wenig Hohlräume, in denen sich das Öl gesammelt hat. Auch die sog. Permeabilität, die Verbindung der einzelnen Poren untereinander, ist relativ schlecht. Diese beiden Kennwerte entscheiden aber darüber, wie viel Öl gefördert werden kann. Aus den oben beschriebenen Gründen können von den 50 Mrd. Barrel die vorhanden sind, nur etwa 15-25% tatsächlich gefördert werden. Legt man eine förderbare Menge von 25% zugrunde, so können aus dem Kashagan Feld rund 13 Mrd. Barrel gewonnen werden. Das reicht immerhin um die Welt rund 7 Monate mit Öl zu versorgen, was ein beachtlicher Wert ist. Erschwert wird die Förderung aber durch vier wichtige zusätzliche Eigenschaften des Kashagan Feldes:
- Das Öl steht unter einem extrem hohen Druck von bis zu 760 bar, was für die Bohrungen eine extreme Herausforderung darstellt.
- Im Öl ist eine sehr hohe Konzentration von Schwefelwasserstoff gelöst. H2S ist sehr giftig und muss aufwendig abgetrennt und zurück in die Lagerstätte injiziert werden.
- Das Klima im kaspischen Meer kann getrost als sehr rau bezeichnet werden. Die Hälfte des Jahres ist die in nur 10 m Wassertiefe stehende Förderplattform von Eis eingeschlossen.
- Das Gebiet gilt als ökologisch sehr sensibel. Es ist u.a. der Laichgrund des Beluga-Störs.
All diese Faktoren haben dazu geführt, dass der Produktionsbeginn des Ölfelds sich um rund 8 Jahre verzögert hat. Die erste (von drei) Ausbaustufe(n) hat bisher rund 39 Mrd. US-Dollar verschlungen. Der Nachrichtendienst Bloomberg meldete gestern, dass das Kashagan Feld voraussichtlich in den nächsten Monaten in Produktion geht. Es wird damit gerechnet, dass die Produktion 2012 mit einer Tagesförderung von 75.000 Barrel beginnt und das der Förderpeak in der dritten Ausbaustufe etwa 2021 bei rund 1,2 bis 1,5 Mio. Barrel Tagesproduktion erreicht wird. Laut Bloomberg ist das Feld trotz seiner Größe für die daran beteiligten Investoren eine Enttäuschung, da die Erschließungskosten bisher etwa 15 Mrd. Dollar höher waren als ursprünglich geplant.
Fazit
Durch den geologisch bedingten Rückgang aus bestehenden Ölfeldern müssen jedes Jahr etwa 3 - 4 Mio. Barrel Tagesproduktion neu auf den Markt gebracht werden, nur um die Produktion auf dem heutigen Niveau zu halten. Das heißt jedes Jahr 3-mal Kashagans Spitzenproduktion! Deutlich wird an diesem Ölfeld, das die Zeiten des „billigen Öls“ definitiv vorbei sind und der Aufwand, den unvermeidlichen Rückgang der Weltölproduktion hinauszuzögern, jedes Jahr größer wird.
Weiterführende Informationen:
http://www.offshore-technology.com/projects/kashagan/
http://www.peakoil.net/AIMseminar/UU_AIM_Robelius.pdf
http://www.tsl.uu.se/uhdsg/Publications/GOF_decline_Article.pdf
Syrien, Iran und Konflikte in der Strategischen Ellipse
Selbst für geopolitisch interessierte Ohren ist der Begriff noch längst nicht selbstverständlich: Die "Strategische Ellipse". Geprägt wurde der Begriff von der Zeitschrift Osteuropa. Er kennzeichnet ein Gebiet, "das sich vom Nahen Osten über den Kaspischen Raum bis in den Hohen Norden Russlands erstreckt. Darin befinden sich etwa zwei Drittel der weltweit bekannten natürlichen Erdöl- und Erdgaslagerstätten, die sich nach heutigem Stand wirtschaftlich fördern lassen (Reserve). Konkret betrifft dies Länder wie Saudi-Arabien, Russland, Iran, Vereinigte Arabische Emirate, Katar, Irak, Kuwait und Kasachstan." Einer Peak-Oil-interessierten Öffentlichkeit wurde der Begriff mit der Bundeswehr-Studie zu Peak Oil bekannt, von deren Seite 10 obiges Zitat stammt.
Veranstaltungen + Presseschau
Folgende mit Peak Oil verbundene Veranstaltungen stehen bevor:
- morgen, 24.11.: "Resource Revolution: Meeting the World's Energy, Materials, Food, and Water Needs" im Chatham House, London und per Livestream im Netz
- 25./26.11.: "Unternehmensführung angesichts endlicher Ressourcen" in der Evangelischen Akademie in Bad Boll
- 25.-27.11: 2. ökosoziale Hochschultage mit Workshop zu "Transition Towns" in Dresden
- 30.11.: "Globalisierung am Ende?" im Rahmen der "MittwochsATTACke" von Attac Leipzig
- 02.12: "Strukturbruch Peak Oil - Zwischen Untergangsstimmung und Richtungssuche" im Rahmen der Kritischen Uni Hannover
- 03.12.: "Peak Oil - Wirtschaft ohne Treibstoff" gemeinsam mit Gerd Wessling ("Transition Towns") im Rahmen der 5. Klimakonferenz in Dresden (um Anmeldung wird gebeten)
- 10.12.: Tag der Offenen Tür bei der ASPO Schweiz in Basel
- 13.12.: Thementag Peak Oil von Cross-Border-Logistics in Pattburg/Dänemark: Was bedeuten steigende Ölpreise für die Transport- und Logistikbranche? (um Anmeldung wird gebeten)
- 13.01.2012: Transition Town Augsburg trifft sich
- 22.02.2012: Christoph Senz zu "Peak Oil" beim CDU-Ortsverband in Euskirchen
In Planung: Transition Town Leipzig plant Veranstaltungsreihe für Anfang 2012, Friedrich-Ebert-Stiftung plant Reihe in Dresden für 2012
Die Presse berichtet:
- Telepolis: Petition eingereicht: Keine neuen Bundesstraßen und Autobahnen
- ZEIT + WIENER Zeitung: 18 Barrel verschmutzen 163 Quadratkilometer Meeresfläche vor Brasilien sowie Selbes Problem, neuer Ölkonzern: Chevron statt BP, Brasilien statt Deepwater Horizon
- SPON: Euphorie zu Elektromobilität in China hat ihren Höhepunkt überschritten
- NZZ: Verschobene Gewichte am Erdölmarkt
- SWP: Erdöl-Alternativen dringend gesucht
- RIANovosti: China gewährt Venezuela 4 Milliarden Kredit zur Steigerung der Ölförderung
- GelbesForum: Elliot-Wellen-Analyse zu Öl: Preissprung auf 130 US-Dollar erwartet
Extra:
Blut der Welt – eine Filmkritik
Am 16. und 17. November zeigte das ZDF eine sehr aktuelle Dokumentation, die sich in zwei Teilen mit dem "Blut der Welt" befasste: Dem Erdöl. Dabei geben die Filmemacher sehr anschaulich und hochaktuell Einblicke in die weltweite Ölförderung, lassen Akteure der grade frisch eröffneten Nordstream-Pipeline zu Wort kommen (Ex-Kanzler Gerhard Schröder und jetzt Aufsichtsratschef des Projekts), beleuchten die modernen Fördertechniken und Explorationswege für Öl und Gas, lassen Peak-Oil-Warner wie Colin Campbell zu Wort kommen und umreißen damit recht umfassend die Ausbeutung der globalen Energierohstoffe. (mehr …)