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Peak Hoyerswerda: Kohle und Leben in der Lausitz

Für Telepolis habe ich mir die Bevölkerungsentwicklung im Braunkohlerevier der Lausitz angeschaut. Für Leser des Peak-Oil.com-Blogs ist dieser Artikel aus mehreren Gründen interessant. Zum einen sind diverse Glockenkurven zu sehen, die Peak-Oil-Interessierten bekannt vorkommen. Nur, dass diese Glockenkurven nicht die Förderung von Öl beschreiben, sondern die Einwohnerentwicklung zweier Städte: Hoyerswerda und Weisswasser.

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Diese beiden Städte waren die zentralen Wohnorte für die Kraftwerker und Bergleute und ihr Aufstieg und Fall dürfte ohne Beispiel in Europa sein. Zum anderen ist Braunkohle genau wie Erdöl ein zentraler Energierohstoff unserer Zeit, auch wenn die Bedeutung der Kohle bereits geschrumpft ist, während jene von Öl an ihrem Höhepunkt angekommen ist. Bedenklich sind mögliche Zusammenhänge zwischen Kohle und Einwohnerzahlen, die sich möglicherweise auch zwischen Öl und Einwohnerzahlen finden lassen. Als drittes habe ich eine Diskussion aus der Peak-Oil-Community auf die Kohle übertragen: Die Frage nach dem Energy Return on Energy Invested (ERoEI) und dem best-first-Prinzip. Ich würde mich freuen, wenn dieser Artikel auf Interesse stößt!

Ich bin in der Lausitz geboren und gehöre zu denen, die von dort weggezogen sind. Die Schule, in die ich in Weisswasser ging, steht nicht mehr. Sie wurde "zurückgebaut", wie so viele Gebäude der Stadt. Wann auch immer ich dorthin zurückkehre, werde ich nichts mehr finden, was an meine Schulzeit erinnert. Wo früher diese Schule stand, holt sich heut der Wald seinen Raum. Es ist diese Entwurzelung, die andere Lausitzer noch viel drastischer trifft: Jene, die nicht nur ihre Schule, sondern ihr Haus verloren haben oder verlieren sollen. Bei denen dort, wo teils jahrundertealte Familienwurzeln wuchsen, ein Loch bleibt.

Ich erinnere mich gut an das Quietschen der eisernen Bagger in der Nacht, welches für mich (warum auch immer) nach dem Schreien von Löwenbabys klang. Kurz vor dem Heimatdorf meiner Mutter stoppten die Bagger letztlich, zogen sich später zurück und machten Platz für den größen See Sachsens. Die Kulisse von heute könnte widersprüchlicher nicht sein: Vom idyllischen Sandstrand des Bärwalder Sees aus sieht man auf der anderen Seeseite das Kraftwerk Boxberg, welches dieses und andere Löcher buchstäblich in die Erde gefressen hat. Man kann die Maschinerie erahnen, die aus Kraftwerk und Förderbändern bestand, die wie fleißige Hände die Kohle in den Verdauungstrakt transportierten, aus der Erde gekratzt durch saurierhafte Kohlebagger.

Was mich umtreibt, wenn ich an die Lausitz denke ist, ob die Planer der realsozialistischen Kohleförderung (und ihre Nachfolger) vor Augen hatten, was am Ende dieses Prozesses stehen würde. Dass die wachsenden Städte in rasantem Tempo wieder in sich zusammenfallen würden, dass Löcher bleiben würden, so unfassbar groß, dass kein Mensch mit Spaten in den Händen je auf die Idee käme, sie könnten menschengemacht sein. Dass die umgegrabene Erdkruste zu einem Phänomen namens "Braune Spree" führen würden, das zustande kommt weil feinste Eisenpartikel im Boden mit dem Luftsauerstoff zu Rost reagieren und durch das wiederkommende Grundwasser ausgespült und die Spree entlang Richtung Berlin transportiert werden. Durchaus 100 Jahre und mehr wird uns allein dieses Ergebnis der Braunkohleförderung beschäftigten, bestätigte mir ein befreundeter Wasserwirtschaftler. Wieviel Exergie werden wir wohl in den kommenden 100 Jahren aufwenden, um das Braune-Spree-Problem einzudämmen? Wird das Verhältnis zwischen eingesetzter Energie und geförderter Braunkohle in einigen Jahrhunderten noch positiv sein?

Wenn aber die Planer von damals nicht in der Lage waren, die Auswirkungen ihres Handelns 100 Jahre später zu beurteilen - droht uns auch bei anderen Energieträgern eine vergleichbare Entwicklung?

 

Zur Kopplung zwischen Rohstoffförderung und Finanzsystem

Zur Kopplung zwischen Rohstoffförderung und Finanzsystem und warum Fracking mehr ein Indiz für Gefahr als für Entwarnung ist.

Das Handelsblatt hat ein sehr interessantes Interview mit Joachim Berlenbach, der als Bergbaugeologe sowohl das Fördergeschehen von Rohstoffen kennt, wie auch die Funktionsweise des Finanzsektors. Für das Verständnis möglicher durch Peak Oil induzierter Risiken ist das Interview sehr hilfreich.

So kritisiert Berlenbach beispielsweise die kurzfristige Sichtweise von Investoren und setzt diese in Bezug zu den abnehmenden Rohstoffgehalten in den Förderstätten. Was Christoph Senz in diesem Blog regelmäßig das "Best First"-Prinzip nennt, besagt: Auf Effizienz orientierte Förderunternehmen bauen zuerst jene Rohstoffe ab, die am leichtesten zugänglich sind. In der Metallförderung sind das demnach Erze, die einen hohen Gehalt des gesuchten Rohstoffs beinhalten und in der Ölförderung sind es Lagerstätten, die bei möglichst geringem Aufwand möglichst hohe Förderraten erlauben - also möglichst viel Öl in kurzen Zeiträumen fördern lassen. Wenn die Besten dieser Lagerstätten zuerst gefördert werden, bleiben später nur die Zweitbesten, dann die Drittbesten usw. So wie der Rohstoffgehalt der Förderstätten im Laufe der Zeit sinkt, steigen die Kosten. Denn wenn statt 20% Rohstoff pro Tonne Erz nur noch 2% Rohstoff pro Tonne Erz zu holen sind, muss zehnmal soviel Gesteinsmenge bewegt werden und mehr Energie aufgewendet werden, um letztlich dieselbe Menge Rohstoff in Händen halten zu können. (mehr …)