Seitdem Sprit 1,70 Euro kostet hat die deutsche Polit- und Medienlandschaft ein neues Thema gefunden, mit dem man sich (angesichts zahlreicher bevorstehender Landtagswahlen) profilieren kann: "Ökosteuern" und "Pendlerpauschale". Die Diskussion kreist hauptsächlich um die Frage, wie man "den Autofahrer entlasten" kann. "Entlastung", so der Tenor, bedeutet im Sinne der Diskussion die finanziellen Ausgaben zu deckeln. Obwohl wir inflationsbereinigt immer noch im Zeitalter des extrem billigen Sprits leben, müsse das Recht auf verbrennungsmotorisierte Bewegung beibehalten werden, so als ob die Verfassung oder die universalen Menschenrechte vor allem diesen Punkt garantieren.
Die "Ökosteuern" heißen gar nicht mehr so, sie sind vor einiger Zeit entstigmatisiert "Energiesteuern" genannt worden. Das ist ein fester Betrag pro Liter: Seit 2003 sind das 65,5 Cent pro Liter Benzin und 47 Cent pro Liter Diesel. Die Steuern steigen und sinken also nicht mit, wenn der Ölpreis sinkt oder steigt. Die Einnahmen werden zu großen Teilen zum Straßenbau verwendet aber auch zur Quersubventionierung der Rententöpfe. Wer diese Staatseinnahmen senken will, muss also sich also klarmachen, dass im gleichen Maße der Staatshaushalt belastet würde. Die finanzielle "Entlastung" des Autofahrers würde spiegelbildlich eine "Belastung" des Staatshaushalts bedeuten. Jeder Cent, der pro Liter weniger an Energiesteuern erhoben wird, fließt millionenfach weniger in die klammen Staatskassen. Bereits heute nimmt der Staat Jahr für Jahr weniger Geld ein, als er ausgibt, was in dem schönen Wort "Neuverschuldung" gipfelt. Dass die Staatsschuld jemals rückzahlbar ist, ist fragwürdig: Einerseits, aufgrund ihrer schieren Größe, andererseits aufgrund des Geld-Schuld-Mechanismus, der eine Verkleinerung der gesamtgesellschaftlichen Geldschulden nur durch eine Verkleinerung der gesamtgesellschaftlichen Geldvermögen erlaubt. Doch wenn wir die Staatsschuld schneller aufblähen, indem wir Autofahrern heute Steuergeschenke machen, beschleunigen wir den Weg zum Staatsbankrott. Angesichts der fragilen Finanzsituation in Europa könnte sich ein Steuergeschenk als Danaergeschenk erweisen: Steuergeschenke an der Tankstelle kommen als Banken-Zusammenbrüche teuer zu uns zurück. Es sei denn: Der Staat spart beim Straßenbau oder den Renten.
Die "Pendlerpauschale", die eigentlich Entfernungspauschale heißt, erlaubt es dem Steuerzahler bis zu 4500 Euro jährlich für den Weg zur Arbeit als Fahrtkosten anzurechnen und entsprechend weniger Steuern zu bezahlen. "Entlastend" ist dieses Instrument also nur für jene Menschen, die überhaupt Steuern bezahlen. Niedrigverdiener, die wenig oder gar keine Steuern zahlen, profitieren also von der "Pendlerpauschale" gar nicht. Sie zu erhöhen würde bedeuten, vor allem hochbesteuerten Einkommensbeziehern zusätzliche Steuerersparnis zu gewähren. Den Niedrigverdienern, die viel stärker unter den steigenden Spritkosten leiden, käme solch eine Entscheidung gar nicht zugute. Da die Entfernungspauschale jedoch nicht nur Autofahrern, sondern auch Fußgängern, Fahrradfahrern und ÖPNV-Nutzern (unabhängig von ihren tatsächlichen Kosten) gewährt wird, käme ihre Anhebung auch jenen Gruppen zugute, die gar nicht direkt unter den steigenden Spritpreisen leiden. Zweifellos gerecht, aber nicht besonders problembezogen. Wäre es da nicht sinnvoller, die Autofahrer gleich dazu zu ermutigen, sich einer der anderen Gruppen anzuschließen, sich den Sprit zu sparen und die Steuerersparnis dazu einzustreichen? Die Leipziger Verkehrsbetriebe machen derzeit vor, wie man Autofahrern den ÖPNV schmackhaft macht: Dort kann man diese Woche kostenfrei fahren, wenn man seine Fahrzeugpapiere dabei hat.
Angesichts Peak Oil ist diese Diskussion um Steuererleichtungen ja aber eigentlich eine Nebelkerze: Viel Rauch um nichts wirklich Hilfreiches. Die globale Ölförderung läßt sich kaum noch steigern, die neuen Fördermethoden sind teuer, risikoreich und umweltschädigend (Deepwater Horizon, Elgin, Fracking). Weitere Preissteigerungen sind deshalb absehbar. Genau wie die Verknappung des Rohstoffs. Diese Verknappung ist es letztlich, die grundlegendes Umdenken erfordert und sie kann nicht websubventioniert werden.
Weitblickendere oder auch zynische Zeitgenossen, wie das Film-Phantom "Tyler Durden" aus David Finchers Film "Fight Club" würden die Entlastungsfrage eher aus dem Ballast-Blickwinkel betrachten. Oder um es mit dem wohl bekanntesten Zitat aus dem Film zu verschlüsseln:
"Alles, was du hast, hat irgendwann dich."
In diesem Sinne: Zwiespältiges Tanken!