Bei einem Treffen der Direktoren der Europäischen Geologischen Dienste der Nordatlantikgruppe (NAG) im September in Kopenhagen entstand ein gemeinsamer Text, die "Kopenhagener Erklärung". Darin äußern die Direktoren ihre Sorge über "irreführende Medienmeldungen über die Erkundung und Gewinnung von mineralischen und Energie-Rohstoffen" und verweisen auf die Möglichkeit, dass die geologischen Dienste von den Regierungen übergangen werde und so die Chance vermindert wird, "objektiv und interessensneutral über Abschätzungen von Schiefergas- und anderen Georessourcen zu informieren".
Auf Nachfrage bei der Bundesagentur für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), was Anlass für diese Erklärung gewesen sei, schrieb man mir:
Die Direktoren der Geologischen Dienste sind besorgt über irreführende Medienmeldungen über die Erkundung und Gewinnung von mineralischen und Energie-Rohstoffen. Häufig werden wissenschaftliche Ergebnisse und Schlussfolgerungen bei der Berichterstattung ignoriert. Dies kann, wenn verschiedene Meldungen nicht reflektiert werden, durchaus zu nachteiligen Entscheidungen für die Gesellschaft führen.
Ein Beispiel für eine „irreführende Berichterstattung“ ist der Film Gasland. In diesem preisgekrönten Dokumentarfilm von Josh Fox wird ein brennender Wasserhahn gezeigt. Dieser Wasserhahn wird in Verbindung mit der Förderung von Erdgas durch die Fracking-Technologie gesetzt. Dieser Zusammenhang besteht jedoch nicht. Das hat mittlerweile auch der Regisseur zugegeben. Unter folgendem Link finden Sie die Dokumentation „FrackNation“. Sie beleuchtet diese und andere Falschdarstellungen. Auch die NDR-Sendung „Angst vor Fracking“ (Panorama 3- Die Reporter) verdeutlicht die Problematik und zeigt, welche Folgen falsche Darstellungen und Wahrnehmungen erzeugen können.
Das BGR verweist in seiner Antwort zudem auf die Diskussion mit dem Umweltbundesamt (UBA). Im öffentlichen Diskussionsprozess um die Fracking-Frage haben beide Bundesbehörden in den vergangenen Jahren teils unterschiedliche Schlußfolgerungen aus ihren Erkenntnissprozessen gezogen.
Es ist zu begrüßen, dass die BGR und die verbundenen europäischen Geologischen Dienste auf ihre Kompetenz hinweisen und Lobby-Kampagnen Fachwissen entgegensetzen. Jüngst verwies die Organisation Lobbycontrol auf eine Veröffentlichung der New York Times, der ein Mitschnitt eines Vortrags des US-Lobbyisten Rick Berman zugespielt wurde. Dieser riet Vertretern der Öl- und Gasindustrie im Juni 2014 zu "schmutzigen" Lobbymethoden in der Bekämpfung ihrer Gegner und stellte zugleich eine Kampagne namens "Big Green Radicals” seiner PR-Agentur vor.
Lobbyismus und Einflussnahme ist im milliardenschweren Öl- und Gasgeschäft keine Seltenheit. Im Februar 2013 lobbyierten deutsche Öl- und Gasfirmen für Fracking per Briefkampagne bei den deutschen IHK. Der Matt-Damon-Film "Promised Land", der die Auseinandersetzung von Landkäufern im Auftrag einer Fracking-Firma und den Bewohnern einer US-Kleinstadt thematisiert, wurde wegen der Unterstützung durch einen Filmfonds des weltdrittgrößten Ölexporteurs Vereinigte Arabische Emirate kritisiert. Auch ihn könnte man als Lobbyarbeit ansehen, insbesondere da er nur wenig handfest das Fracking selbst thematisiert, sondern eher die durchaus fragwürdigen Geschäftsmethoden der Ölindustrie ins Licht rückt.
Lobbyarbeit im Sinne eines gezielten Einflusses auf die öffentliche Meinung und Entscheidungsträger ist in einer offenen Gesellschaft kaum vermeidbar. Für den interessierten Bürger ist die durch unlautere Methoden angerichtete Verwirrung (statt der Suche nach möglichst objektiven Abwägungen) jedoch mindestens abschreckend. Im ungleichen Kampf der Budgets haben Industrievertreter meist den längeren Arm gegenüber nichtmonetär ausgerichteten Umweltorganisationen. Unklar ist, inwieweit irreführende Medienberichterstattung durch Dummheit oder Absicht zustande kommt, so wie im heutigen Handelsblatt-Artikel zum Thema Fracking, in dem wieder zu lesen ist:
Die USA haben den Schritt gewagt und sich von Energieimporten weitgehend unabhängig gemacht.
Eine Aussage, für die die Direktoren der Europäischen Geologischen Dienste der Nordatlantikgruppe sicherlich zur Richtigstellung bereit wären: Aber danach hat das Handelsblatt den im Artikel zitierten BGR-Präsidenten Hans-Joachim Kümpel offenbar nicht gefragt. Trotz Fracking importieren die USA immer noch 4,7 Millionen Barrel Erdöl täglich. Das ist zwar fast eine Halbierung binnen 5 Jahren, und dennoch (nach China) das zweitgrößte Importvolumen eines einzelnen Landes.
Lesetip:
- Geisterschiff. Krachts Gedanken über postfossile Politik.