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Kommentarlos, Teil 64

Er war als Geschenk an künftige Generationen gedacht: Norwegens 783 Milliarden Euro schwerer Ölfonds, Stand Ende 2014. Doch womöglich wird das nationale Sparschwein wegen des niedrigen Ölpreises bald geschlachtet: Am Donnerstag notierte das Nordseeöl Brent bei 46,31 Dollar pro Barrel, so tief wie seit zehn Jahren nicht mehr. Norwegen brechen Einnahmen weg, das BIP schrumpfte von April bis Juni um 0,1 Prozent. Zudem sinkt die Produktion der heimischen Ölfelder.

schreibt die taz

Peak Oil: Der Stand der Dinge 2014

Ziemlich genau vor einem Jahr habe ich ein Zwischenfazit gezogen: Wo stehen wir hinsichtlich des globalen Ölfördermaximums? Damals lagen Daten der EIA bis April 2013 vor. Heute liegen Daten für 12 weitere Monate vor: Bis April 2014. Die folgende tabellarische Darstellung unterteilt die Welt in jene Ölförderregionen, wie sie die EIA vorgibt. Dabei fällt auf:

  • Die Weltölförderung hat auch in den vergangenen 12 Monaten zugenommen. Die Ölförderung steht an einem Allzeithoch - nie zuvor wurde auf dem Planeten mehr Öl gefördert als heute. Ein globaler Peak Oil ist nicht erreicht.
  • Europa ist die Weltregion, deren Ölförderung weiterhin am stärksten zurückgeht. 60% weniger Rohöl und Kondensate werden heute gefördert als zum Zeitpunkt des europäischen Ölfördermaximums anno 1999. Biokraftstoffe und Co. haben dafür gesorgt, dass die Gesamtmenge am "Flüssigenergie" leicht gegenüber dem Vorjahr zunahm, aber die Veränderungen sind marginal.
  • Afrika hat seinen Peak überschritten. Von 2012 zu 2013 schrumpfte die Ölbereitstellung um 6,7%, gegenüber dem Allzeithoch im Dezember 2007 wurde im April 2014 fast ein Viertel weniger Öl gefördert.
  • Zentral- und Südamerika, Eurasien und der Nahe Osten verlieren auf Monatsbasis gesehen zwar von Sommer 2013 bis April 2014 ein paar Prozente Ölförderung, aber die Zahlen sind nicht eindeutig, um das Überschreiten des Peaks für diese Weltregionen eindeutig festzustellen.
  • Nordamerika ist die einzige Weltregion, die ihre Ölförderung weiter steigert - und dies sehr beachtlich! Um 7,55% hat die Ölförderung von 2012 zu 2013 zugenommen und damit den entscheidenden Beitrag zur Steigerung der weltweiten Ölförderung geliefert.
Weltregion Crude+Condensate all liquids
bisheriges Fördermaximum
(in Mio Barrel pro Tag)
Zeitpunkt Veränderung seitdem bisheriges Fördermaximum
(in Mio Barrel pro Tag)
Zeitpunkt Veränderung seitdem
Nordamerika 14,370 April 2014 20,749  April 2014
Zentral- und Südamerika 6,942 Dezember 2000 -3,31%
2013: -4,74%
8,327 August 2013 -5,86%
2013: -7,55%
Europa 6,909 November 1999 -60,02%
2013: -56,77%
7,744 November 1999 -49,3%
2013: -50,15%
Eurasien 13,147 Juni 2013 13,855 Juni 2013 -1,51%
2013: -0,09%
Naher Osten 24,812 August 2013 -3,34%
2013: -4,72%
27,945 August 2013 -1,41%
2013: -3,68%
Afrika 10,168 Dezember 2007 -13,9%
2013: -10,73%
10,963 Dezember 2007 -23,02%
2013: -8,83%
Asien und Ozeanien 8,034 September 2010 -4,33%
2013: -4,66%
9,337 September 2010 -5,48%
2013: -3,55%
Die Welt 77,136 Februar 2014 90,998 Februar 2014
Welt abzüglich USA & Kanada 67,022 Januar 2011 -2,11% 74,974 Januar 2011 -2,51%

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Massive Kostensteigerungen in der Ölindustrie

Man könnte meinen, das Öl- und Gasgeschäft müßte höchstlukrativ sein, seitdem sich die Ölpreise binnen weniger Jahre fast verfünffacht haben. Doch wird erwartet, dass selbst höchste Milliardengewinne von Jahr zu Jahr gesteigert werden, damit das Geschäft "zufriedenstellend" verläuft. Genau dieses weitere Gewinnwachstum haben die großen privaten Ölkonzerne aber 2013 nicht hingekriegt. Shell hatte nur 12 Milliarden US$ zum Silvesterfest übrig, Chevron nur 21 Milliarden, Exxon keine 9 Milliarden. BP sagt uns morgen, wie der Laden läuft. Für den Normalverdiener klingt das nach immensen Summen und zweifellos sind sie das auch. Aber da die Ölpreise 2013 fast genauso hoch waren wie 2012, muss den Konzernen das Geld irgendwo aus den Fingern geronnen sein.

Das WallStreetJournal hat einen längeren, sehr aufschlussreichen Artikel namens: "Explodierende Kosten bringen Ölriesen in Erklärungsnot". Demnach haben Chevron, Exxon und Shell in 2013 zusammen 120 Milliarden US$ ausgegeben, "um ihren Ausstoß an Erdöl und Erdgas zu erhöhen". In den vergangenen 5 Jahren hat diese Truppe eine halbe Billion US$ sprichwörtlich in der Erdkruste versenkt, um ... um dennoch eine weiterhin rückläufige Öl- und Gasförderung zu verzeichnen.

Die Ansprüche sind hoch. Chevron will bis 2017 seine Fördermengen um 25% steigern. Dafür hat das Unternehmen 2013 42 Milliarden US$ in die Hand genommen, ungefähr genausoviel wie Exxon und Shell. Dabei macht Chevron nur etwa halbsoviel Umsatz wie die beiden anderen. 2014 sollen es wieder 40 Milliarden sein, was die US-Wertpapieraufsicht auf den Plan rief. Laut WallStreetJournal befürchten die Aktienaufseher, weiter steigende Ausgabenpläne können die Liquidität des Unternehmens angreifen. Das wäre der finanzielle Supergau: Eines der Mega-Unternehmen der fossilen Branche steuert mangels Bargeld der Zahlungsunfähigkeit zu.

Damit es dahin nicht kommt, sortieren die Unternehmen sich um. Das allerdings macht aus Peak-Oil-Gesichtspunkten Stirnrunzeln. Wenn die Ölkonzerne Projekte auf Eis legen, weil sie sich nicht finanzieren können oder wollen, weil sie zu unsicher oder zu teuer sind: Woher kommen dann die 4 Saudi Arabiens, die wir bis 2030 finden müssen, damit wir den Peak Oil vor uns herschieben können? Wir kennen inzwischen Stichworte wie Shtokman oder Kashagan, Öl- und Gasprojekte die teils Jahre über dem Zeitplan liegen oder an denen nicht weitergearbeitet wird und Milliarden verschlungen haben. Shell trennt sich von Nordseeölfeldern und legt Gasverflüssigungspläne auf Eis und investiert stattdessen in eine - wie es beim WSJ heißt - "bisher nicht erprobte Technologie" eines schwimmenden Gas-Fördertankers. Statoil legt die Hoffnungen so mancher Grönländer ad acta, und zieht sich aus Explorationsvorhaben aus West-Grönland zurück: Um Ausgaben zurückzufahren.

Wenn die privat organisierten Ölkonzerne ihre Ausgaben zurückfahren, sich von Projekten zurückziehen, sich masslos verschätzen in den Kosten und den Zeitplänen für einzelne Mega-Projekte: Wann soll denn da bittschön die globale Ölförderung weiter steigen? Wenn das ein zeitlich befristeter Rückzug sein soll, damit die Ölingenieure mal in sich gehen können, sich sammeln; um dann mit neu sortierten und ausgeruhten Kräften neue Ölfelder auf diesem Planeten suchen zu gehen - dann bestünde ja Aussicht auf spätere Öl-Hochs. Doch tatsächlich legen die Konzerne just in jenen Zeiten so manches Projekt beiseite, in denen sie die höchsten Umsätze und höchsten Gewinne ihres Geschäftslebens machen.

Peak Oil? Voraus.

 

 

iea - oil production in absence of investment

Abbild 14.6: Ölförderung die wir von allen derzeit beförderten Ölfeldern beobachten würden, wenn es keine weiteren Investitionen gäbe. World Energy Outlook 2013 der Internationalen Energieagentur, S. 470

 

 


Nachrichtlich:

Österreich: OMV sucht nach sichereren Ölquellen. Zukauf in der Nordsee

Selbst Ölfelder, die ihr Fördermaximum überschritten haben, sind noch richtig was wert: Die österreichische OMV beteiligt sich mit etwa 2 Milliarden Euro an Öl- und Gasfeldern in der Nordsee. Statoil, der norwegige Staatskonzern, ist der Verkäufer dieser Anteile. Den Aktionären scheint der Deal nicht ganz so gut zu gefallen, nach Bekanntwerden sinkt der OMV-Kurs, während der Statoil-Kurs zulegt. Laut OMV-Chef Roiss handelt es sich um die "größte Akquisition in der Industriegeschichte Österreichs".

Begründet wird der Einstieg von OMV-Chef Roiss mit der Stabilität in Europa, die er offenbar in anderen Welt-Teilen nicht mehr so gegeben sieht. Dabei dürfte dem Konzernchef noch in den Knochen stecken, dass Libyen in 2010 noch fast ein Viertel des österreichischen Imports lieferte, seine Lieferungen in 2011 um zwei Drittel herunterfahren musste. Die libysche Revolution verschob die österreichischen Importe zugunsten von Irak, Nigeria, Saudi-Arabien und Russland. Zusammen mit Kasachstan, was mit 29% der größe Öllieferant ist, liefern diese Länder 84,6% der österreichischen Importe. Immerhin 11,4% seines Verbrauchs förderte Österreich 2012 im Inland (zum Vergleich: Deutschland fördert keine 3% selbst).

Oesterreich - Foerderung, Verbrauch, Selbstversorgungsgrad (mehr …)

Luftfahrt vor dem Absturz?

Die gute Nachricht zuerst: Der U.S. Geological Survey (USGS) hat in einer neuen Schätzung die weltweit technisch verfügbaren, aber noch unentdeckten Mengen an Erdgas um 20% auf 5,606 Billionen Kubikfuss angehoben. Die schlechte Nachricht: Die Mengen an technisch förderbarem, noch unentdecktem Erdöl wurden um 13% auf 565 Milliarden Barrel gesenkt. Die letzte Schätzung dieser Art wurde im Jahr 2000 vorgenommen.

Dies sind keine übermäßig besonderen Zahlen, sie bestätigen nur, was sowieso in den Zeitungen steht: Öl wird teurer, Öl wird knapper. Das merkte zuletzt unter anderem die Luftfahrt. (mehr …)

Medienhype: Statoil entdeckt 7-Welt-Tages-Reserve-Ölfeld

300 Millionen Barrel Erdöl soll das neue Statoil-Ölfeld haben, was das Handelsblatt von einem "Riesenfund" sprechen läßt. Zusammen mit dem Vorgängerfund haben die zwei Felder Havis und Skrugard in der arktischen Barentssee 600 Millionen Fass, bei einem Welt-Tagesverbrauch von 85 Millionen Fass entspricht das also 7 Welt-Tages-Verbräuchen. "Riesenfund"? Ähnlich hysterisch klangen die Schlagzeilen vergangenen August, als Statoil ebenfalls ein "riesiges Ölfeld in der Nordsee" fand und im November, als eine 11-Tages-Reserve gefunden wurde. Seit der August-Meldung sind inzwischen über 120 Tage vergangen, der kritische Geist mag selbst berechnen, wie relevant die neuen Funde sind. (mehr …)

“Rohstoffjäger finden riesiges Ölfeld in der Nordsee”

Der halbstaatliche norwegische Ölkonzern Statoil hat einen Fund eines großen Ölfeldes in der Nordsee bekanntgegeben. Zwischen 500 und 1200 Millionen Barrel Erdöl sollen dort lagern. SPIEGEL ONLINE ist dies die Schlagzeile "Rohstoffjäger finden riesiges Ölfeld in der Nordsee" wert. Teilt man die geschätzten 1,2 Milliarden Barrel durch den Welt-Tagesverbrauch von 86 Millionen Barrel, so wird deutlich: Global betrachtet reicht die Neuentdeckung für grade mal 14 Tage Verlängerung des Fackelzeitalters.

Für Norwegen ist das trotzdem schön. Das Land mit 4,6 Millionen Einwohnern legt jährlich einen ausgeglichenen Staatshaushalt vor und hat dank Öl-Einkommen über 40.000 Euro pro Einwohner auf der hohen Kante. Verwaltet wird das alles in einem Fond, der auch für die Zeit nach dem Öl dienen soll. Zu großen Teilen gefüllt wird dieser Fond, aus dem der norwegische Staat jährlich maximal 4% entnehmen darf, vom deutschen Tankstellenbesucher, denn 14% seiner Lieferungen erhält Deutschland aus Norwegen. Nur Russland steht mit 35% noch weiter oben auf der Lieferanten-Skala.

Schön für Norweger, schön für Deutsche. Die einen sparen weiter für die Ewigkeit (während viele Öl-Importländer Schuldenprobleme haben - wenn es da mal nicht einen Zusammenhang gibt), die anderen dürfen weiter tanken, was der Zapfhahn hält (würden die 1,2 Milliarden Fass allein nach Deutschland gehen, würde dies das Ölzeitalter hierzulande bei einem Tagesverbrauch von 2,4 Millionen Barrel immerhin um 500 Tage verlängern). Und der SPIEGEL kriegt 'ne schöne, wenn auch "leicht übertriebene" Schlagzeile.

 

PS: Und während Statoil neue Ölfelder entdeckt, entdeckt Shell neue Lecks. Auch in der Nordsee.

Öl(förder)branche legt Quartalszahlen vor

Wie andere Branchen auch legte die Ölförderbranche Zahlen zum vergangenen Quartal vor. Shell (holländisch), Statoil (norwegisch), Exxon und BP (britisch) aber auch der russische Ölkonzern Tatneft verdienen gutes Geld und die Presseberichte sind eindeutig: Ursache dafür ist der hohe Ölpreis. Nach der Explosion der Ölplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko musste BP sogar Anlagen verkaufen, um frisches Geld für die Schadensbehebung verfügbar zu machen. Doch so wie das Thema aus den Medien (fast) verschwunden ist, so sind auch die Verluste des Unternehmens verschwunden. Auch wenn der Gewinn von Repsoil (spanisch) nicht wie bei der Konkurrenz stieg, ist eine halbe Milliarde Euro Überschuss kein Pappenstil. Die Firma hat mit den Produktionsausfällen in Libyen zu kämpfen. Wie viel Geld mit Öl zu machen ist zeigt vielleicht der texanische Konzern Marathon Oil. Bei 3,87 Milliarden Dollar Umsatz blieben 996 Millionen Dollar als Gewinn hängen: Also mehr als ein Viertel des Umsatzes. Solche Gewinnmargen sind für andere Branchen Traumwerte.

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