Selbst für geopolitisch interessierte Ohren ist der Begriff noch längst nicht selbstverständlich: Die "Strategische Ellipse". Geprägt wurde der Begriff von der Zeitschrift Osteuropa. Er kennzeichnet ein Gebiet, "das sich vom Nahen Osten über den Kaspischen Raum bis in den Hohen Norden Russlands erstreckt. Darin befinden sich etwa zwei Drittel der weltweit bekannten natürlichen Erdöl- und Erdgaslagerstätten, die sich nach heutigem Stand wirtschaftlich fördern lassen (Reserve). Konkret betrifft dies Länder wie Saudi-Arabien, Russland, Iran, Vereinigte Arabische Emirate, Katar, Irak, Kuwait und Kasachstan." Einer Peak-Oil-interessierten Öffentlichkeit wurde der Begriff mit der Bundeswehr-Studie zu Peak Oil bekannt, von deren Seite 10 obiges Zitat stammt.
Die Bundesrepublik Deutschland bezog 2009 49,3% seiner Erdölimporte aus Ländern der strategischen Ellipse, den Großteil aus Russland (35,3%). Die strategische Ellipse ist aufgrund der Mengen an Energierohstoffen nicht nur für Deutschland relevant, sondern durch die weltweite Abhängigkeit von Erdöl für nahezu jedes industrialisierte und Schwellenland, sofern es nicht selbst über ausreichend inländische Erdölvorkommen verfügt.
Durch die überwiegende Konzentration verbleibender konventioneller Erdölreserven in der Strategischen Ellipse und damit der schwierigen Herkunftsdiversifizierung außerhalb dieses Raumes, wäre (1) eine Aufwertung der Förderländer dieser Regionen sehr wahrscheinlich und es könnte (2) zu einer verstärkten Einmischung externer Mächte zur Sicherung ihrer Interessen und Ressourcen in diesen Regionen kommen. Seitens der Ölförderstaaten ist eine (sicherheits-)politische Instrumentalisierung ihrer Machtposition bis hin zu einer entsprechenden Formierung von Allianzen entlang weltanschaulicher Konfliktlinien sowie eine offensivere Durchsetzung ihrer Ziele nicht auszuschließen. (Bundeswehr-Studie, S. 76)
Die Bedeutung des Erdöls für die bestehenden Infrastrukturen und Wirtschaftssysteme ist kaum zu überschätzen. Politische und geostrategische Aktivitäten in den Ländern der Strategischen Ellipse sind deshalb sinnvollerweise immer auch aus den Blickwinkel des Rohstoffs zu betrachten. Aus Syrien, ebenfalls ein Land dieses Gebiets, kamen 2009 zwar nur 2,7% des deutschen Verbrauchs, dennoch rückt dieses Land aktuell in den Fokus:
- weil die Bevölkerung ähnlich wie in anderen arabischen Staaten gegen die derzeitige Regierung rebelliert, was diese mit Gewalt reagieren läßt
- weil der US-Flugzeugträger CVN-77 (George H.W. Bush) von der Straße von Hormus ins Mittelmeer verlegt wurde, während parallel die US-Botschaft in Syriens Hauptstadt Damaskus die dortigen US-Bürger auffordert, Syrien "umgehend" zu verlassen (die Türkei empfiehlt ihren Landsleuten auf Pilgerreise in Saudi-Arabien, Syrien nicht zu durchqueren).
Diese Informationen trägt Zerohedge.com zusammen und verweist auf Informationen der Geopolitik-Beobachter Stratfor und CBS.
Dass der Flugzeugträger die Straße von Hormus verläßt, ist bedeutsam, wird er dort doch dazu eingesetzt, den reibungslosen Schifffahrtsverkehr durchzusetzen. Die Straße von Hormus ist eine Meerenge zwischen Iran und den Vereinigten Arabischen Emiraten bzw. dem Golfstaat Oman:
Durch die 54 Kilometer schmale Meerenge werden täglich per Tanker 16 bis 17 Millionen Barrel Öl transportiert, das sind 15 bis 20% der täglichen globalen Förder- und Verbrauchsmenge. Natürlich werden die US-Truppen diesen Schiffsweg nicht ungeschützt lassen (CVN 74 ist nah), aber es ist naheliegend, dass es wichtige Gründe für diese Verlegung gibt.
Am 12. November beschloss die Arabische Liga, deren Mitglied Syrien ist bzw. war, dass Syriens Mitgliedschaft ausgesetzt wird, dass Wirtschaftssanktionen verhängt werden und dass die UNO zum Schutz der syrischen Bevölkerung aufgerufen wird (wikipedia). Die Bundesregierung hat sich heute ebenfalls positioniert und fordert eine Resolution des UN-Sicherheitsrates gegen die Gewalt der Regierung gegen das Volk. Solche Resolutionen können, wie wir aus den Konflikten im Irak und Libyen wissen, auch militärische Optionen beinhalten.
Die Menge an Öl, die das Land produziert, ist mit 400.000 Fass pro Tag nicht übermäßig viel im globalen Kontext, doch die Tatsache, dass nun das nächste ölfördernde Land in der strategischen Ellipse in Richtung eines Konflikts oder sogar Krieges strebt, dürfte entsprechende Befürchtungen an den Ölmärkten und entsprechende Preissteigerungen zur Folge haben. Bis September diesen Jahres kaufte die EU 95% der syrischen Ölexporte, davon zwei Drittel an Italien und Deutschland, doch nach einem beschlossenen Embargo musste Syrien seine Ölproduktion bereits um 40% herunterfahren.
Auch die geografische Lage Syriens ist sensibel, grenzt das Land doch an Israel, das seit dem Sechstagekrieg 1981 die Golanhöhen besetzt hält und als "Unterbezirk Golan" verwaltet. Nördlich Syriens liegt die Türkei, die ihrerseits über Öl- und Gasvorkommen mit Griechenland und Zypern im Streit liegt, was den Tagesspiegel schon einen "Heißen Herbst am Mittelmeer" beschwören ließ - wohin jetzt der US-Flugzeugträger unterwegs ist.
Zugleich wird in der Region die Tonlage gegenüber Iran verschärft. Das Land scheint an seinem Plänen für ein Atombombenprogramm festzuhalten, was die USA, Großbritannien und Kanada zu Sanktionen führte. Iran wird jetzt als Geldwäscheland bezeichnet, ein Kompromiss vor zu starker Härte. Denn die genannten Länder wollen wohl vermeiden, mit zu harten Maßnahmen den Ölpreis in die Höhe zu schieben, was sich auf die Weltwirtschaft negativ auswirken würde:
Ottolenghi [„Stiftung für die Verteidigung von Demokratien“] hält das Thema Sanktionen dennoch nicht für ausgereizt, es müssten jedoch „viel härtere Maßnahmen“ sein als bisher. Zentral sei es, den Ölexport als „ökonomische Nabelschnur des Regimes zu kappen“ – ohne den Preis ins Astronomische zu treiben. Ottolenghi verweist auf das Konzept einer „Zone ohne iranisches Öl“. Soll heißen: Die USA verbieten den Verkauf von Ölprodukten auf dem US-Markt, die ganz oder teilweise mit iranischem Öl erzeugt wurden.
Eine Strafandrohung soll europäische Raffinerien, die Benzin und Kerosin in die USA liefern, unter Druck setzen. Diese hätten dann laut Ottolenghi zwei Möglichkeiten: Entweder kein iranisches Öl mehr zu kaufen oder den Preis runterzuhandeln: „Wenn wir den Preis um 15, 20 Prozent drücken könnten, verliert der Iran Milliarden.“ (DiePresse.com)
Für Europa ist diese Strategie zwiespältig, hat die Finanzkrise doch Griechenland dazu gedrängt, Iran quasi als Notversorger mit Erdöl zu akzeptieren, nachdem andere Ölförderländer ihren Verkauf an Griechenland mangels gesicherter Finanzierung gekappt haben. Bei einem Konflikt mit Iran, der angesichts des Atomprogramms nicht ausgeschlossen ist, dürfte der Ölpreis durch die Decke gehen. Die Straße vom Hormus ist wie bereits gesagt, eine strategisch hochsensible Stelle. Würde diese unpassierbar werden oder auch nur die Passierbarkeit temporär einschränken, weil Angriffe auf Schiffe zu befürchten sind oder havarierte Schiffe die Passage schließen, würden dem globalen Markt plötzlich ein Fünftel bis ein Viertel der benötigten Ölmengen fehlen. Nicht nur ein Ölpreis weit jenseits der 200 US$, sondern auch massive Auswirkungen auf die Weltwirtschaft inklusive denkbarer Rationierungen könnten die Folge sein. Angesichts der schwelenden und sich beschleunigenden Finanzkrise würden Überreaktionen in dieser Region sehr schnell enorme Auswirkungen haben. Die vergangenen 4 Tage seit dem 19. November prüfte Irans Armee in einem Manöver seine Verteidigungsfähigkeit.