Inspiriert von der sehr schönen neuen ASPO-Deutschland Webseite, möchte ich heute auf einen, wie ich finde, sehr kuriosen Umstand in Zusammenhang mit dem US-Fracking-Boom hinweisen. "Fracking" steht für "hydraulic fracturing", ein Verfahren das seit Jahrzehnten im Bereich der Erdöl-, Erdgas-, Geothermie- und sogar bei der Trinkwassererschließung angewendet wird. Eigentlich nichts neues, möchte man meinen, aber durch steigende Preise von Erdöl und Erdgas und in Kombination mit der in den letzten 10-15 Jahren ständig weiterentwickelten Richtbohrtechnik konnte man nun Gas- und Öllagerstätten in dichten Gesteinen anbohren, "fracken" und so vor allem Erdgas, aber auch Erdöl fördern, das vorher technologisch und ökonomisch unerreichbar war. Da die Abläufe beim "Fracking" recht komplex zu erklären sind, bin ich dankbar, auf dieses Video verweisen zu können. Die erforderlichen Drücke, die beim "Frac Job" benötigt werden, um das Gestein "aufzureißen", liegen bei mehreren tausend bar und werden von dieselbetrieben Kompressoren aufgebracht, die Gesamtleistungen von mehreren 10.000 PS haben. Teil der neuen Fracking- Technologie ist nicht nur das Bohren und Fracken, sondern auch Mittel und Wege zu finden, die neu entstandenen Risse im Gestein offen zu halten, damit sie nicht bei der Druckentlastung sofort wieder von dem natürlichen Umschließungsdruck verschlossen werden. Gefrackt wird daher nicht nur mit reinem Wasser, sondern mit einer Suspension aus Wasser und verschiedensten (teilweise hochgiftigen) Zusatzstoffen. Auch wird das Wasser mit großen Mengen an Quarzsand (sog. Propants) angereichert, der nach dem "Frac Job", die neu geschaffenen Wegsamkeiten offen halten soll. Aufgrund des "Fracking"-Booms in den USA ist sogar Quarzsand zwischenzeitlich knapp geworden, wie folgender FAZ Artikel beleuchtet.
Interessanterweise ist es aber ein Naturprodukt, das scheinbar wie kein zweites für das "Fracking" unentbehrlich ist und so den Firmen gleichzeitig ermöglicht für ihre angeblich "saubere" Sache zu werben: Frei nach dem Motto: Schaut her, in unser Frackwasser kommt das gleiche Zeug, wie in eure Eiscreme! Das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Zusatzstoffe, vor allem die zugesetzten Biozide, welche Bakterienwachstum verhindern sollen, zum Teil krebserregent sein können.
Was hat Guarkernmehl mit Fracking zu tun?
Guarkernmehl stammt aus dem Samen der Guarbohne und wird vor allem als Lebensmittelzusatzstoff verwendet. Es macht z.B. dünnflüssigen Joghurt dickflüssiger und wird so ziemlich in jedem Speiseeis verwendet. Interessanterweise hat sich Guarkernmehl als idealer Gelbildner für das "Fracking" herausgestellt. Es verringert die Reibung am Bohrlochrand- und erhöht gleichzeitig die Viskosität des Fracking-Fluids. Vermischt mit Wasser bildet es ein dickflüssiges Gel, das den ebenfalls eingepressten Quarzsand homogen in die künstlichen Klufträume eines "Fracs" transportiert. Ist der Sand einmal dorthin gelangt und dank Guarkernmehl inmitten der dickflüssigen "Pampe" an Ort und Stelle fixiert, läßt sich das Guarkernkernmehl relativ leicht durch den Einsatz chemischer Brecher wieder "aufreißen". So kann das Fluid wieder aus der Bohrung entfernt werden, ohne den Sand aus den künstlich geschaffenen Hohlräumen wieder zu entfernen und mit der Förderung von unkonventionellem Erdöl und Erdgas begonnen werden.
Während die Lebensmittelindustrie Guarkernmehl eher in homöopathischen Dosen einsetzt, braucht man allerdings für ein Bohrloch Unmengen an Guarkernmehl. Diese kleinen Bohnen, die in der Halbwüste Rajasthans vor allem als Viehfutter angebaut werden, weil dort sonst wenig wächst, sind innerhalb weniger Jahre ein weltweit begehrter Rohstoff geworden.
Für ein Bohrloch werden rund 9000 kg Guarkernmehl benötigt. Da die amerikanische Fracking-Industrie angefangen hat, im großen Stil in Indien, dem mit Abstand größten Hersteller für Guarbohnen, auf Einkaustour zu gehen, konnte dies nicht ohne massiven Effekt auf die Preisentwicklung für Guarbohnen bleiben:
Der Preisanstieg war in dieser Form beispielsweise vom Branchenriesen Halliburton nicht vorhergesehen worden. Aufgrund der Preisentwicklung von Guarkernmehl fallen die Quartalsgewinne von Halliburton geringer aus, als erwartet. Im Gegenzug ist der Preisanstieg auch für die Lebensmittelindustrie problematisch, da sie ihre Rezepte unter keinen Umständen ändern will. Alle sind hektisch auf der Suche nach Alternativen, aber weder beim Fracking, noch in der Lebensmittelindustrie hat man bisher einen passenden Ersatz gefunden.
Die Bauern von Rajasthan bauen dieses Jahr auf rund 4,2 Millionen Hektar Guarbohnen an - 2 Mio. Hektar mehr als letztes Jahr - und freuen sich, dass sie nun eine echte "cash crop" anbauen und sich erstmals in dieser Gegend bescheidener Wohlstand breit macht. Vielleicht ist es auch gut so, dass das Guarkernmehl von der Fracking-Industrie im Boden versenkt statt in menschlichen Nahrungsmittel verarbeitet wird. Es steht nämlich im Verdacht, Allergien auszulösen...
Mein besonderer Dank geht an Alexandre de Robaulx de Beaurieux, der mich mit vielen Hintergrundinformationen zum Thema "Fracking" versorgt hat!
Weiterführende Informationen:
- TIME World Artikel über das Phänomen des "Guar Booms"
- Reuters Meldung über den "Bean rush"
- Studie von Blackrock, dem weltgrößten Vermögensverwalter, über unkonventionelles Öl. Besonders interessant ist die Grafik auf Seite 6. Ab Seite 9 ein Kapitel über den limitierenden Faktor "Guarkernmehl".
Auch wenn ich Eulen nach Athen tragen sollte: Fracking ist doch ein deutlicher Hinweis auf peak oil und eine äußerst dubiose Technologie. Eine Tat schierer Verzweiflung.
Nein, tragen Sie nicht.
Es gilt den Jahresverbrauch, ein Becken von ca. 1,6km³ mit Erdöl zu füllen. Tendenz steigend.
Ein Becken von 1,6km * 1,6km * 1,6km.
Das ist jenseits jeder Vorstellungskraft. Und da ist Erdgas noch gar nicht mit drin.
Das ist selbst bei zig tausend munter sprudelnden Quellen ein schwieriges unterfangen.
Ich bleibe dabei: Der Decline und der damit verbundene “Rückbau” der menschlichen Zivilisation geht schneller als gemeinhin erwartet.
1.6 km3 entsprechen einem Würfel der Kantenlänge ca. 1.15 km (dritte Wurzel 1.6).
“Eine Tat schierer Verzweiflung.”
So sieht’s aus!
Das ist einfach Herrlich! Nach Bio-Ethanol aus Rapsöl, Windkraftanlagen, Solarzellen etc. bin ich gespannt, was sonst noch für Absurditäten ans Tageslicht kommen, um die Schließung Pandoras Box, dem Wegfall des Erdöls zu kompensieren.
Wie war das noch? Was sich nach der Öffnung von Pandoras Box von ihr hat verführen lassen, wird bei dessen Schließung von selbiger eingesaugt und vernichtet?!
Und genau so wird es laufen: Milliarden Menschen werden dem Rückgang des Erdöls hinterher laufen und dabei umkommen.
Bis auf ein paar wenige “zurück gebliebene”, die stark genug sind und bei all dem noch genügend Gelassenheit bewahren können, werden das Spektakel überleben.
Sei’s drum. Es “war” eine coole Zeit und wer hätte je gedacht, dass der Mensch so etwas wie einen Computer entwickeln und in den Weltraum fliegen könnte.
Niemand hat das je für möglich gehalten…
Schneller->Höher->Weiter->Ausgestorben. Wer hätte das für möglich gehalten?
Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2012: Homo Colossus im Größenwahn.
Köstlich- danke :-)
Fracking als Hilfe für die dritte Welt…
NZZ- “Die Zukunft der Energiefirmen gehört den Unkonventionellen”
http://www.nzz.ch/aktuell/wirtschaft/wirtschaftsnachrichten/die-zukunft-der-energiefirmen-gehoert-den-unkonventionellen-1.17411810
Arte Dokumentation “Endstation Fortschritt”
http://www.youtube.com/watch?v=BgHC1GcABF4
“Einen Affen intelligenter zu machen ist eine evolutionäre Sackgase”
3Sat Dokumentation “Beschleunigte Welt”
http://www.youtube.com/watch?v=HxcOJL3AhWs
http://www.youtube.com/watch?v=vg0E8bmZglM
http://www.youtube.com/watch?v=yno3ySM2VWA
http://www.youtube.com/watch?v=GAqgxJNOA7w
Mit voller Beschleunigung in den Untergang der Zivilisation. Wir werden von diesen Dingern derart abhängig sein, dass ich mir den Ausfall eines dieser Systeme gar nicht ausmalen mag. Technologische Sklaven halt!
“People wont be able to just turn the machines off, because they will be so dependent on them that turning them off would amount to collective suicide.” – Theodore Kaczynski
Und noch ein schönes Beispiel für unsere Fehlbarkeit.
600 Millionen Inder ohne Strom
http://www.ftd.de/politik/:mega-blackout-600-millionen-inder-ohne-strom/70070559.html
Es gibt kein Entkommen. J. Tainter wird mit seiner Analyse absolut recht behalten und der pathologische Befund wird zweifelsfrei Komplexitätsversagen attestieren.
Und gleich noch einmal Fehlbarkeit
Computer lösen Chaos an der Wall Street aus
http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/computerprogramme-stoeren-handel-an-der-wall-street-a-847740.html
Fail!
Hallo, M.U,
danke für die Links! Die 3Sat Doku habe ich mir schon angesehen!
Viele Grüße
Christoph Senz
[…] Zusätzlich werden pro Bohrung rund 12000 – 18000 m³ Frischwasser benötigt und etwa wie hier bereits beschrieben, 9 Tonnen Guarkernmehl, dass je nach Preisniveau ebenfalls rund 300.000 US$ […]
[…] Stoffen, die die Viskosität reduzieren und verhindern, dass der Sand in der Flüssigkeit nach unten sinkt, z.B. Guarkernmehl. […]
[…] und Gasindustrie selbst, denn sie braucht Stahl, Energie, Wasser und z.B. Guarkernmehl (siehe auch: Warum die Fracking-Industrie am Wetter in Indien interessiert ist). Steigende Rohstoffkosten sind für viele Unternehmen in nahezu allen Branchen heute bereits […]