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Gespräch zur 11. Fachtagung Kraftstoff Pflanzenöl

Am 11. und 12. Oktober 2012 findet in Pillnitz bei Dresden die 11. Fachtagung Kraftstoff Pflanzenöl statt. Dort treffen sich nicht die großen Mineralölkonzerne, sondern die kleinen Ölmüller, die dezentral pflanzliches Öl für den Einsatz im ÖPNV, der Schifffahrt oder den Maschinen der Landwirtschaft produzieren - oder produzieren wollen. Die wirtschaftliche Lage der dezentralen Ölmühlen in Deutschland ist schlecht, seitdem 2006 eine steuerliche Angleichung der Pflanzenöle an das Mineralöl läuft: Auf Pflanzenöl-Kraftstoff müssen dieselben Energiesteuern bezahlt werden wie auf Diesel: 47 Cent pro Liter. Das hat, so der Organisator der Tagung Michel Matke, den Markt für Pflanzenöl zerstört. Selbst auf die Eigennutzung müssen Landwirte Steuern zahlen, auch wenn sie diese später zurückfordern können - mit einem entsprechend bürokratischen Aufwand. Der Idee, lokalen Kraftstoff auf Basis dezentraler Verarbeitungsstrukturen innerhalb regionaler Wirtschaftskreisläufe zu herzustellen, ist daher seit 2006 ein großer Stein in den Weg gelegt worden.

Ein Gespräch mit Michel H. Matke, Bundeskontaktstelle Pflanzenöl, der die Tagung organisiert:

"Erfolgreich wirtschaften mit Pflanzenölkraftstoff in der Landwirtschaft" ist der Titel der Tagung. Sie richtet sich an Land- und Forstwirte, Wissenschaftler und Studenten, Politiker und Journalisten. Was erwartet die Teilnehmer der Tagung? Welche Rolle spielt das Ölfördermaximum (Peak Oil)?

Die Teilnehmer der Tagung erwarten einen aktuellen Überblick und zuverlässige Informationen zu praktischen, politischen und ökologischen Aspekten der dezentralen Herstellung und Nutzung von Pflanzenöl als Kraftstoff aus und für die Landwirtschaft. Der Peak Oil ist neben der Dezentralisierung und Ökologisierung der Energiewirtschaft insgesamt nur ein Kriterium meiner Motivation, wenngleich ein grundlegendes.

Eine sich häufig verändernde Förderlandschaft hat meines Wissens dazu geführt, dass dezentrale Verarbeitungsanlagen mal aufgebaut, dann wieder stillgelegt wurden. Hat sich die Situation inzwischen stabilisiert?

Obwohl es weiterhin einige wenige unbeirrbare Akteure gibt, welche an der Idee festhalten, ist die Situation überwiegend aufgrund der schlechten politischen Rahmenbedingungen desaströs.

Welche politischen Rahmenbedingungen sorgen denn für diese Situation? Müßte es sich angesichts steigender Ölpreise nicht ohne politisches Zutun rechnen, dass Landwirte selbstversorgend auf Pflanzenöl als Kraftstoff setzen? Welche Rolle spielt die Politik?

Die Besteuerung von biogenen Kraftstoffen hat dazu geführt, dass die Mehrzahl der circa 600 dezentralen Ölmühlen in Deutschland insolvent sind - für die großen Player ist das kein Problem, da geht es überwiegend um Öle aus Übersee. Der Reinkraftstoffmarkt in Deutschland ist vollständig zusammengebrochen. Die Beimischung nehmen die Mineralölgesellschaften selbst in die Hand und beziehen dafür die Öle bzw. den Alkohol überwiegend vom Weltmarkt. Dezentrale Strukturen und Mittelstand spielen dabei keine Rolle. Es erfolgt nun keine Forschung und Entwicklung mehr auf dem Gebiet, auf welchem Deutschland Vorreiter war. Österreich und Tschechien beginnen uns den Rang abzulaufen.

Wenige durchschauen das Verwirrspiel. Die Medien und die Politik spielen dabei eine entscheidende Rolle und zeigen sich aus meiner Sicht der Sache entweder nicht gewachsen oder vertreten fragwürdige Interessen.

Laut Ankündigung könnten 4% der Landwirtschaftsfläche ausreichen, um die Landwirtschaft mit Pflanzenöl als Treibstoff zu versorgen - insbesondere zum Antrieb der Fahrzeuge und Maschinen. Die Landwirtschaft ist jedoch nur eine Branche unter vielen, Begehrlichkeiten könnte ein steigender Ölpreis auch beispielsweise beim Speditionsgewerbe wecken. Halten Sie eine Versorgung unseres Güterverkehrs mit Pflanzenöl auf dem heutigen Verbrauchs-Niveau für möglich?

Wenn wir irreversible globale ökologische und soziale Schäden in Kauf nehmen, ist es technisch möglich den Güterverkehr mit Pflanzenöl zu betreiben.
Ich meine, dass es nicht nur darum gehen kann, fossile Energieträger einfach durch nachwachsende zu ersetzen. Einen ganzheitlichen Denkansatz halte ich auch hier für unabdingbar um zu tragfähigen Lösungen zu gelangen.

Wie werden die Grenzen der Biomasseverfügbarkeit, wie sie jüngst auch von der Leopoldina kritisch beleuchtet wurden, unter den Land- und Forstwirten diskutiert? Profitieren nicht viele von steigenden Preisen sowie zusätzlichen Vermarktungswegen - beispielsweise als Zulieferer für Biomasseanlagen?

Die Verfügbarkeit von fossilen und nachwachsenden Rohstoffen ist von existentieller Bedeutung. Dessen sind sich gerade Land- und Forstwirte durchaus bewusst. Besonders, wenn sie ökologisch wirtschaften. Aus der Stellungnahme der Leopoldina lese ich vor allem heraus, dass die intensive/industrielle Landwirtschaft das Problem ist. Das ist bekannt und bedarf keiner Stellungnahme.

Bei der Fachtagung gibt es diesmal eine Zusammenarbeit mit dem Umweltverband Zelený kruh aus Prag. Kann man sagen, dass Pflanzenöl in Tschechien eine größere Rolle in der Landwirtschaft spielt?

Lassen wir uns auf der Tagung überraschen !

Es handelt sich dieses Jahr um die 11. Fachtung, die Tagung hat also bereits Traditionswert. Hat die Aufmerksamkeit für das Thema durch die steigenden Ölpreise in den vergangenen Jahren zugenommen?

Der steigende Ölpreis ist sicher relevant, jedoch aus meiner Sicht von nachgeordneter Bedeutung für das Interesse der meisten Teilnehmer. Der Beginn der intensiven Arbeit unseres Netzwerkes fällt in eine Zeit, in welcher der Ölpreis unter dem Niveau des Preises von Pflanzenöl lag. Das Interesse der Teilnehmer der Tagung an Themen wie dezentrale Erzeugung und Nutzung, ökologische Landwirtschaft, regionale Wertschöpfung und Gerechtigkeit hat über die Jahre aus meiner Sicht zugenommen.

Vielen Dank!

 

11. Fachtung Kraftstoff Pflanzenöl:

1 Kommentar to “Gespräch zur 11. Fachtagung Kraftstoff Pflanzenöl”

  1. Patrick sagt:

    Prinzipiell finde ich den Ansatz, dass die Landwirtschaft ihren benötigten Kraftstoff selbst anbaut, ziemlich gut.

    Das wird die Nahrungsmittelsicherheit nach dem großen PEAK sicherlich unterstützen. Solange weiterhin Teller VOR Tank gilt, könnte diese Selbstversorgung in die richtige Richtung gehen.

    Allerdings – wie so oft – blockiert die Regierung alles, was irgendwie dezentral / unabhängig / selbstversorgend ist.
    Wie bei der Energiewende auch.
    Trautig.

    Aber wieder ein mahnendes Beispiel, wie selten wirklich gute Rahmenbedingungen “von ganz oben” kommen.
    Regionalisierung muss also weiterhin ganz stark “von unten” vorangetrieben werden.

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