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Rezension: Der Futur Zwei Zukunftsalmanach

Ein Gastbeitrag von Florian Hoppe

Die Nachhaltigkeits- und Klimaschutzbewegung hat keine Geschichte zu erzählen. Sie hat lediglich zu sagen, dass alles sofort anders werden muss, damit es bleibt, wie es ist. Da es aber ohnehin ist, wie es ist, bliebt solche Rhetorik völlig wirkungslos. Es ist daher nötig, eine neue Zukunft über uns selbst zu erzählen. Und darüber, wie wir in Zukunft leben wollen.

Mit dieser Einleitung stimmt Harald Welzer in wenigen Worten auf die Thematik dieses Buches ein. Obwohl Wachstumskritik in den letzten Jahren verstärkt diskutiert wird, fühlen sich viele Leute nicht selbst davon nicht betroffen.  Doch "Wir können eh nichts tun" ist ein Argument, das der Autor nicht zulässt. Im Gegenteil, er will beweisen, dass der Mensch sehr wohl die Möglichkeit hat etwas zu ändern und dabei an Freude und Lebensqualität gewinnen kann.
Nach einem einführenden Essay, welche die heutigen Probleme des Konsums,  Klimawandel, Peak Oil, sowie die Grenzen des Wachstums zusammenfasst, beginnt der Hauptteil des Buches.

Geschichten des Gelingens

Diese 72 Geschichten handeln von Menschen, welche mit ihren Projekten heute schon vorleben, wie man anders wirtschaften und leben kann. Dabei handelt es sich einerseits um Bürgerinitiativen, aber auch um Start Ups und Kommunalverwaltungen.

Da wären unter anderem:

  • Die 2000 Watt Gesellschaft: Ein Projekt des Schweizer Bundesamt für Energie und der ETH Zürich, den Energieverbrauch der Schweiz bis zur Jahrhundertmitte zu halbieren und in den darauffolgenen Jahrzehnten auf 2000 Watt Dauerleistung pro Kopf zurückzuführen.
  • Mehrere Initiativen des Ingenieurs Reinhard Koch in Güssing, Österreich, den Energieverbrauch der Gemeinde zu senken, sowie die Umstellung von Ölheizungen auf ein kommunales Fernwärmesystem. Diese machten Güssing nicht nur von teuren Ölimporten  weitestgehend unabhängig, sondern verschafften der darbenden Gemeinde einen Wirtschaftsaufschwung, welcher 1500 Job schaffte und es schaffte, die örtliche Arbeitslosenrate um 2/3 zu senken.
  • "Blue Economy Solutions", eine Berliner Firma, welche ökologische Produkte und Geschäftsmodelle nach dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft anbietet und Unternehmen berät.  Unter anderem testen sie ein Null-Emissionen-Gewächshaus, welches  aus einer Aquakultur (in welcher Fischzucht betrieben wird) und einer hydroponischen Anlage (Pflanzenproduktion im Wasser) besteht.
  • Initiativen des früheren Züricher Stadtrats (1978 -1994) und ehemaligen Nationalrats (1999-2010) Ruedi Aeschbacher zur Verlangsamung des Verkehrsflusses in Zürich, sowie zur Förderung von Bus und (Straßen-)Bahn-Verkehr. Mittlerweile besitzt nur noch jeder zweite Haushalt in Zürich einen PKW. Jede Wohnung und Büro in der Stadt liegt nur noch maximal 300 Meter von der nächsten Haltestelle entfernt.
  • Die "Regionalwert AG" , eine Bürger-AG zur Förderung zur Biovielfalt und ökologischen Landwirtschaft in Eichstetten (DE). Mittlerweile gehören dem Betrieb mehrere Bauernhöfe, mehrere Bioläden, sowie eine Trockenfuttermanufaktur und ein Hauslieferservice. Ziel des Unternehmens ist es, die Vermarktungswege zu verkürzen, die Vielfalt von Saatgut zu fördern und auf Pestizit- und Kunstdüngereinsatz zu verzichten.

Der Mittelteil des Buches beschäftigt sich mit dem Klimawandel, Energie, Ressourcen, sowie Konsum, Lifestyle, Landwirtschaft und Ernährung. Hier werden sehr gut die Diskussionen der letzten zwei Jahrzehnte zusammengefasst, sowie eventuelle Lösungsansätze.

Doch nicht nur die Gegenwart zählt für Welzer. Die zweite Hälfte des Buches setzt seinen Schwerpunkt auf

Mobilität und deren zukünftige Entwicklung

In Form einer Enzyklopädie aus dem Jahr 2030 werden hier mögliche Entwicklungen und Umgestaltungen innerhalb der Automobilindustrie, des Versandhandels, der Luftmobilität, der Stadtentwicklung etc. präsentiert, welche zeigen sollen, dass andere, ressourcenfreundliche Formen der Mobilität möglich sind.

Eines dieser Szenarien ist z.B. die Verlagerung der Automobilindustrie auf langlebigere Produkte und die Wandlung vom Mobilitätsproduzenten zum Mobilitätsdienstleister. Die durch den Abbau der Produktionskapazitäten verlorenen Industriearbeitsplätze wurden durch lokale Dienstleistungen des nun boomenden Mittelgebirgetourismus ersetzt, da höhere Energiekosten und klimatische Veränderungen den Pauschaltourismus im Süden zunehmend unattraktiver machten.

Eine weitere Collage von Szenerien aus dem Zeitraum 2030-2050 entwirft mehrere mögliche Zukünfte, wie wir in den nächsten Dekaden leben könnten und wie unsere Wirtschaft funktionieren könnte. Diese Szenarien machen manchmal den Eindruck von Sci-Fi-Kurzgeschichten. Sie wirken aber nie lächerlich, sondern bleiben dem Leitgedanken von "Futur II" treu:

Denkbare nachhaltige Zukünfte mit ihren Vor- und Nachteilen zu beschreiben.

Diese versuchen die Autoren anhand von Beispielen aufzuzeigen und wie es Schritt für Schritt dazu kam. Oder sie zeigen Menschen in der Zukunft bei ihren ganz normalen alltäglichen Dingen, wie sie arbeiten, ihre Freizeit gestalten und Urlaub machen.

Mir hat das Szenario "Die neue Hanse - Mobilität an der Küste" gefallen, welche Anhand von sieben Szenarienbildern eine dieser Zukünfte beschreibt.

Mittels eines Zukunftswörterbuchs werden bestimmte Begriffe nochmals genauer erklärt, und wie  diese Entwicklungen und Techniken uns helfen, unsere Zukunft anders zu gestalten. Begriffe wie  E-Paper oder Verticalfarming sind schon heute bekannt, andere wie "I-View", "Eco-Min", oder "Inline" hingegen werden in ähnlicher Form möglicherweise Teil unseres zukünftigen Alltags sein.
Ein abschließender Glossar erklärt nochmal aktuelle Fachbegriffe, welche mit der Energiewende und regionalen Transformationsinitiativen zusammenhängen.

Fazit:

Der Futur Zwei Zukunftsalmanach ist meines Erachtens die ideale Lektüre für Leute, welche wissen wollen welche Entwicklungen schon heute in Arbeit sind, unser Leben nachhaltig umzugestalten und dass die Zukunft nicht hoffnungslos ist. Wichtig ist vor allem, dass jeder dabei sieht, dass diese Zukunft in seinen/ihren Händen liegt.

Weiterführende Links:

4 Kommentare to “Rezension: Der Futur Zwei Zukunftsalmanach”

  1. Ert sagt:

    @Florian

    Super Rezession! Hatte mir das Buch auf mehrfaches Anraten von Florian schon gekauft – hatte leider noch keine Zeit zum durchlesen – nur zum Stöbern und anlesen. Macht aber allesamt den von Florian hier gut zusammengeschriebenen positiven Eindruck.

    Sehr gut fand ich, das die 72 Geschichten immer auf ca. 2-3 Seiten stehen – es ist also alles sehr kompakt und übersichtlich – und dennoch umfangreich inspirierend und auch eben sehr gut in Etappen lesbar!

  2. Patrick sagt:

    Vielen Dank für diese Buchrezension.

    Ich habe neulich das Buch “Selbst Denken” von Harald Welzer gelesen und finde es außerordentlich großartig!
    Sicherlich eines der besten und wichtigsten Bücher zu den entscheidenden Themen unserer Zeit.

    Kennt von euch auch jemand dieses Buch?
    Ich denke, dass der FuturZwei Almanach eine Ergänzung an “Geschichten” ist. Ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob ich mir dieses auch noch kaufen sollte, aber es klingt fast so, als müsste man es tun ;-)

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